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Der serbische Premierminister Aleksandar Vucic und sein albanischer Amtskollege Edi Rama trafen sich im November 2014. Der erste Staatsbesuch der beiden Länder seit 68 Jahren.

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Ein Marktstand in Prishtina mit einem Sackerl mit "großalbanischer Fahne", die beim Fußballspiel im Oktober in Belgrad auftauchte.

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STANDARD: Wie sind die Beziehungen zu Serbien? Was ist der nächste Schritt nach der Aufregung um das Fußballspiel und den Besuch von Premier Rama in Belgrad?

Bushati: Zum ersten Mal in der Geschichte ist der Balkan im Frieden. Das wurde durch die klare europäische Perspektive möglich. Aber es ist nicht so, dass sich Teufel in Engel verwandelt hätten. Wir können diesen Frieden nicht als gegeben annehmen. In Belgrad hat die Rhetorik, die das Fußballspiel begleitete, klar gezeigt, dass es un- ter der Oberfläche eine jüngere Vergangenheit gibt, die nicht so schnell bewältigt werden kann.

STANDARD: Was soll getan werden?

Bushati: Unsere bilateralen Beziehungen waren nicht einfach, aber wir müssen sie wegen des besonderen Gewichts, das unsere Länder in der Region haben, normalisieren. Das erste Mal nach 70 Jahren wurde ein albanischer Premier in Serbien empfangen. Und wir hoffen, dass wir den serbischen Premier in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Albanien empfangen können. Es wurden einige wenige Übereinkommen auf bilateraler Ebene unterzeichnet, darunter fällt eine stärkere Zusammenarbeit für Jugendliche, bei der man sich auf die französisch-deutschen Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg bezieht. Wir haben gesehen, dass es sehr viele Vorurteile gibt. Außerdem arbeiten wir mit Serbien an drei möglichen Projekten, die aus dem Berlin-Prozess kommen, um die Konferenz in Wien vorwegzunehmen, die im August stattfinden wird. Beim adriatisch-ionischen Korridor geht es etwa nicht nur um die Verbindung zwischen Kroatien, Montenegro, Bosnien, Albanien und Griechenland, sondern auch darum, Slowenien und Kroatien mit Griechenland zu verbinden, die bei der EU sind.

STANDARD: Serbien und Albanien hatten lange Zeit nicht unbedingt schlechte Beziehungen, sie hatten gar keine. Wissen Serben und Albaner vielleicht einfach zu wenig voneinander?

Bushati: Das ist Teil des Problems. Aber es gibt nicht nur Beziehungen zwischen Albanien und Serbien, sondern auch Beziehungen zwischen Albanern und Serben, die auf dem Balkan leben. Das kann man nicht gleichsetzen. Wir brauchen mehr Mobilität und Austausch zwischen Albanern und Serben, das würde auch helfen, dass junge Generationen in einem anderen Umfeld aufwachsen und nicht unter der Bedrohung oder dem Sturm der Propaganda über die sogenannten Feinde sind. Ich glaube, dass wir vieles gemeinsam haben, weil wir Teil des Balkans sind.

STANDARD: Gibt es ausreichend Kooperation, um zu verhindern, dass Kämpfer vom Balkan für die IS nach Syrien oder in den Irak gehen?

Bushati: Die Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen Monaten verbessert. Die EU und die Nato haben dabei geholfen, etwa beim Informationsaustausch. Die große Herausforderung ist, wie man abschreckend wirken kann. Der Balkan liegt zwischen Europa und dem Nahen Osten. Er könnte Türhüter für die sogenannten "ausländischen Kämpfer" sein. Und in dieser Hinsicht sollte es nicht erlaubt sein, dass der Balkan eine Spielwiese für andere Akteure wird.

STANDARD: Was meinen Sie mit "andere Akteure"?

Bushati: Wir meinen Russland, aber auch Länder, die nicht unbedingt die gleichen Werte teilen wie Nato-Staaten. In ökonomischer und politischer Hinsicht und in Fragen der Sicherheit sind wir keine Region. Als Reaktion auf die Krise in der Ukraine gibt es Staaten auf dem Balkan, die sich ganz an der EU ausrichten, und Staaten, die das nicht tun. Bis jetzt sind nur Kroatien und Albanien Nato-Mitgliedstaaten, der Prozess in Mazedonien und in Bosnien-Herzegowina ist eingefroren, für Montenegro gibt es noch kein Beitrittsdatum. Serbien setzt seine Neutralitätspolitik fort. Die Nato sollte strategischer vorgehen und die Perspektive einer Mitgliedschaft sicherstellen, damit der Balkan nicht zur Spielwiese für Russland wird. Auch in ökonomischer Hinsicht sind wir noch keine Region, wenn man den Durchlauf von Kapital analysiert. Es gibt diese Theorie, dass alle nach Brüssel schauen und den Nachbarn wenig Aufmerksamkeit schenken. Am Ende des Tages macht man aber das meiste Geschäft in der Region. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 19.2.2015)