Die meisten Homosexuellen wollen im Alter keine Exklusivpflege, haben aber Vorbehalte gegenüber Einrichtungen, wie sie heute sind.

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Wien - Einst zu einem Leben im Verborgenen gezwungen, sind Lesben, Schwule und Transgenderpersonen in den vergangenen Jahrzehnten in Österreich zunehmend sichtbarer geworden. Ihre Bedürfnisse und ihre Ängste werden deutlicher wahrgenommen.

Daher, so Wolfgang Wilhelm von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (Wast), sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch in Österreich das Thema der Altersbetreuung angerissen wird; in anderen west- und nordeuropäischen Ländern werde über einen sensiblen Umgang mit homo- und transsexuellen Senioren im Pflegebereich sowie über spezifische Wohnformen für sie bereits seit Jahren diskutiert.

Wiener Studie

Erste Eckdaten für eine diesbezügliche Auseinandersetzung in Österreich liefert nun eine von Sozial Global und den Wiener Sozialdiensten beauftragte, vom Fonds Soziales Wien bezahlte und vom Meinungsforschungsinstitut Ifes durchgeführte Studie über die Wünsche und Einschätzungen Wiener Homosexueller und Transgenderpersonen bezüglich ihres Lebensabends: die erste derartige Erhebung bundesweit - sie liegt dem Standard vor.

"Es herrscht großer Handlungsbedarf", fasst Wilhelm die Ergebnisse zusammen. Denn 50 Prozent der insgesamt 1440 Befragten befürchteten, später im Alter durch Pflegekräfte Diskriminierung wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität zu erleben. Und gar 75 Prozent, also drei Viertel, meinten, dass ihnen dann durch Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in den Pflegeeinrichtungen Negatives blühen könnte.

Nur 20 Prozent wollens exklusiv

Das Vertrauen von Lesben, Schwulen und Transgenderpersonen in die real existierenden Alterspflegedienste müsse dringend gestärkt werden, schließt daraus Wiens Antidiskriminierungsstadträtin Sandra Frauenberger (SP). Denn immerhin 80 Prozent der für die Studie Befragten würden Einrichtungen für Homo- und Heterosexuelle gemeinsam bevorzugen; nur 20 Prozent wünschen sich Exklusiveinrichtungen.

Also gelte es, bei den Pflegeeinrichtungen anzusetzen und diese "verstärkt auf die Lebenssituation der Zielgruppe vorzubereiten", so Frauenberger. Das sei gar nicht so einfach, kontert Wilhelm, denn die Bereitschaft für derlei Sensibilisierungsschulungen sei derzeit endenwollend.

Schweigen wird enden

Es gebe keine Probleme mit Homosexuellen und Transgenderpersonen, werde vorgebracht. "Die Senioren, die derzeit gepflegt werden, kommen aus Generationen, die über ihre sexuelle Identität schweigen. In zehn, zwanzig Jahren wird sich das geändert haben", widerspricht Wilhelm, dessen Antidiskriminierungsstelle derzeit eine detailliertere Expertise zum Thema vorbereitet. (Irene Brickner, DER STANDARD, 19.2.2015)