Videospiele sind gar kein so junges Medium, wie man vielleicht denken mag. Zum Vergleich: Erst Ende der 1930er wurden die technischen Grundlagen des Fernsehens vervollständigt, im deutschsprachigen Raum begannen die ersten Ausstrahlungen 1933. In Großbritannien sendet die BBC seit 1929.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen BRD und DDR den Sendebetrieb im Jahr 1952 wieder auf. Im gleichen Jahr wurde an der Universität Cambridge das erste Spiel mit elektronischer Grafikausgabe entwickelt: "OXO", eine Umsetzung von Tic-Tac-Toe.

Doch der Durchbruch für die verspielte, interaktive Unterhaltung erfolgte erst später in den 1970er Jahren. In diesem Jahrzehnt erreichten Computerspiele das erste Mal ein größeres Publikum. Das erste verbriefte Automatenspiel ist "Galaxy Game".

Eine frühe Umsetzung von "Galaxy Game" an der Universität Stanford.
Foto: Stanford University

Die Idee dazu entstand 1961 am MIT in Boston, 1962 wurde der Vorläufer unter dem Namen "Spacewar!" am PDP-1 ("Programmed Data Processor"), dem ersten vergleichsweise kompakten Computer, umgesetzt. Das Gameplay-Konzept ist simpel: Zwei Spieler stehen sich in ihren Raumschiffen gegenüber und müssen sich abschießen.

Erschwert wird das durch die Anziehungskräfte eines schwarzen Lochs im Zentrum der Arena. Die Ausgabe erfolgte nicht auf einem Bildschirm, sondern einem Oszilloskop. Einen Einzelspielermodus gab es nicht, da der PDP-1 die nötigen Ressourcen für die Implementation künstlicher Intelligenz nicht mitbrachte. Liebevoll eingefangen hat das Spiel die Webdesignfirma Masswerk in einer Online-Umsetzung.

Ein Jahrzehnt später sollte "Spacewar!" unter dem Namen "Galaxy Game" im ersten Arcadeautomaten wiederaufleben. An der Stanford University hatte man das Spiel in einer Münzmaschine auf Basis des moderneren PDP-11 umgesetzt. Pro Partie wurden zehn Cent fällig, für einen "Quarter" durfte man sich gleich drei Mal probieren. Die Studenten standen einem Artikel auf der Universitäts-Homepage zufolge teilweise länger als eine Stunde an, um an die Reihe zu kommen.

Ein Online-Nachbau von "Spacewar!".
Foto: Screenshot

Zwei Monate später trug sich schließlich Nolan Bushnell erstmals ins Geschichtsbuch der Videospiele ein. Mit "Computer Space" hatte er den ersten Arcade-Automaten entwickelt, der kommerziell vertrieben wurde. Hier musste sich ein Spieler alleine gegen zwei UFOs messen, auch dieser Titel basierte im Kern auf "Spacewar!".

Wenngleich sich das Interesse an dem Spiel in Grenzen hielt, ließ sich Bushnell davon wenig beeindrucken. 1972 veröffentlichte er unter dem Banner der gemeinsam mit Ted Dabney gegründeten Firma Atari jenes Game, das von vielen historisch nicht ganz korrekt als "Urvater der Videospiele" bezeichnet wird: "Pong".

Auch dessen Spielprinzip, grob umschrieben als "simple Tischtennis-Simulation" (womit es das erste Sportspiel überhaupt ist) ist hinreichend bekannt. Zwei Spieler, zwei Schläger, ein Ball – und wer mit seinem "Paddle" Letzteren verfehlt beschert dem Gegner einen Punkt.

Ein Werbeflyer für Ataris "Pong"-Automaten.
Foto: Atari

Der "Urvater"-Titel mag zwar chronologisch gesehen falsch sein, allerdings ist er insofern treffend, als dass "Pong" im Gegensatz zu "Computer Space" auf deutlich mehr Interesse stieß. Schon zuvor hatte Konkurrent Magnavox mit der "Odyssey" unter Ägide von Ralph Baer die erste Heimkonsole entwickelt, die mit "Tennis" ein fast identes Spiel mitbrachte.

Einige versuchten zunächst, "Pong" mehr oder weniger dreist nachzubauen, was - so berichtet das Pong Museum - für den ersten Rechtsstreit der Spielegeschichte sorgte. Magnavox klagte sowohl Atari als auch andere Konkurrenten wegen Patentverletzung und erhielt jeweils entweder Schadensersatz zugesprochen oder ließ sich auf außergerichtliche Einigungen ein. Später versuchte Nintendo, das Patent invalidieren zu lassen und argumentierte damit, dass das elektronische Spiel "Tennis for Two" von William Higinbotham aus 1958 bereits das gleiche Spielprizip aufwies, scheiterte damit aber.

Atari war mit einer außergerichtlichen Lösung mit Magnavox gut davongekommen. Man musste lediglich 700.000 Dollar Schadensersatz zahlen und für weitere Spiele im Stile von "Pong" keinerlei Gebühren überweisen. 1975 erschien das Spiel auch in Form einer Heimkonsole, die dank tatkräftiger Unterstützung durch die Handelskette Sears zum Kassenschlager wurde.

1977 ging Atari mit seiner ersten Cartrdige-basierten Konsole, dem VCS (Video Computer System, später Atari 2600) auf den Markt. Zu Beginn war das Gerät längst nicht so erfolgreich, wie erhofft, was letztlich auch den Abgang von Bushnell bewirkte. Doch schon 1979 verkaufte man dank zugkräftiger Exklusivspiele eine Million Stück pro Jahr, was die Konsole zum begehrtesten Weihnachtsgeschenk am US-Markt machte. Bis zur Produktionseinstellung Anfang der 1990er wechselten rund 30 Millionen Exemplare den Besitzer.

Bild nicht mehr verfügbar.

Nicht ganz korrekt: Farbenfrohe Spiele, wie hier zu sehen, wurden erst in den 1980ern entwickelt.

Ganz allgemein markieren die 1970er die Geburtsstunde der Branche, die heute in Sachen Umsätze sogar die Filmindustrie hinter sich gelassen hat. Gespielt wurde damals vorwiegend auf Automaten. Diese standen einerseits in diversen gastronomischen Lokalitäten, die sich solche Geräte zwecks Kundenbindung anschafften, aber später auch in Einkaufszentren und teils spezialisierte Spielhallen. In Privathaushalten waren sie, nicht zuletzt dank ihrer Größe und Anschaffungskosten, sehr selten zu finden.

Was diese Zeit besonders macht, ist, dass Computerspiele damals praktisch unerschlossenes Terrain waren. Dementsprechend wurden hier die Grundlagen der heute vielfältig ausdifferenzierten Genres gelegt und Klassiker erschaffen, die im Laufe der Jahrzehnte auf unterschiedlichste Weise angereichert und wiederaufgelegt wurden.

Auch auf technischer Ebene tat sich einiges. 1974 erschien mit "Tank" der erste Arcade-Automat, der auf einen Grafikspeicher aus integrierten Schaltkreisen (IC-ROM) setzte. Hier jagten sich die Spieler in Panzern gegenseitig durch ein fallengespicktes Labyrinth. Im Jahr darauf wurde bei "Gun Fight" (Midway) die erste Spielemaschine mit einem Mikroprozessor bestückt.

Mit "Breakout" entwickelte Atari das "Pong"-Konzept weiter und lieferte einen weiteren Hit.
Foto: Breakout

Ataris Erfolg mit "Pong" war außerdem kein singuläres Ereignis. Das Unternehmen, das zu einem Branchenriesen aufsteigen, mehrfach in Turbulenzen geraten und sich davon nie wieder erholen sollte, lieferte noch andere Perlen ab. Darunter auch eine logische Weiterentwicklung namens "Breakout" (1976).

Anstelle eines zweiten Spielers sind zerstörbare Blöcke hier der Widersacher. Es gilt sie, durch Beschuss aufzulösen, um ins jeweils nächste Level voranzuschreiten. Auch von diesem Konzept folgten bis heute mannigfaltige Umsetzungen. Das Spiel wurde um bewegte Blöcke, Boni, Fallen und in manchen Fällen sogar Gegner angereichert. Das einfache Prinzip ermöglichte auch die unkomplizierte Umsetzung für neue Steuerungsmethoden – etwa Eyetracking oder durch Kopfbewegungen mit einer VR-Brille in einer 3D-Version.

Apropos 3D: Auch hier war es Ataris, das Pionierarbeit leistete. "Night Driver" ließ den Spieler in der dritten Dimension durch die Nacht rasen, wobei nicht nur dem Straßenverlauf gefolgt, sondern auch anderen Fahrern ausgewichen werden muss.

Die Aliens kommen: Atari schickte Spieler in den Abwehrkampf gegen ausserirdische Invasoren.
Foto: Space Invaders

Auch ein bekannter Name war alsbald das japanische Studio Taito, das mittlerweile Square Enix gehört. Gegründet wurde die Firma ursprünglich 1953 zum Import von Wodka und Erdnüssen nach Japan, wo die Güter über Automaten verkauft wurden. Die erste Arcade-Produktion war das 1973 veröffentlichte "Elepong", ein Klon des Originals.

Eine eigenständige Erfindung, deren Name zurecht in vielen "Hall of Fame"-Auflistungen der Gamesgeschichte zu finden ist, war jedoch "Space Invaders" (1978). Mit einem Raumschiff, das am unteren Bildrand links und rechts fliegen konnte, galt es auf außerirdische Invasoren zu feuern, die sich Zeilenweise und immer schneller abwärts bewegten. Erschwerend kam hinzu, dass die Aliens in höheren Spielstufen bisweilen auch zurück schossen, sodass gutes Timing gefragt war, um sich im Highscore des jeweiligen Automaten zu verewigen.

"Space Invaders" legte auch die Grundlagen für spätere Topdown-Shooter und gilt als Beginn der "goldenen Ära" der Arcade-Games, die sich bis Mitte der 1980er ziehen sollte.

Werbesujets zu "Asteroids" und "Night Driver".
Foto: Atari

"Spacewar!" und "Computer Space" waren nicht vergessen – auch nicht von Atari. 1979 brachte das Studio wieder einen Evergreen auf den Markt, genannt "Asteroids". Das Grundkonzept blieb, anstelle gegnerischer Raumschiffe galt es jedoch, herumfliegendem Weltraumgestein auszuweichen und mit Waffeneinsatz Stück für Stück zu spalten und aufzulösen.

Geriet man zu stark in Bedrängnis, konnte man sich an einen anderen Platz des Bildschirms teleportieren lassen. Hatte man Pech, war die Lage dort genauso misslich wie zuvor – oder man starb zufällig aufgrund von "Hyperspace-Turbulenzen".

Freilich wurden auch damals einige Spiele gemacht, die nicht auf Arcade-Automaten erschienen. Erwähnenswert, weil sehr früh entwickelt, ist etwa "The Oregon Trail" aus 1971. Benannt ist das Game nach der gleichnamigen Route von Missouri nach Oregon, die einst von Pionieren während der Kolonialisierung der heutigen USA bereist wurde. Über die Härten dieser Zeit wollte Junglehrer Don Rawitsch seine Klasse aufklären und entwickelte den Titel gemeinsam mit Freunden und anderen Lehrkräften auf einem HP 2100-Terminal.

Der Spieler musste seine Familie sicher in ihre neue Heimat bringen und dabei wichtige Entscheidungen treffen. Im "Choose-Your-Own-Adventure"-Stil legte man etwa fest, ob man früher losziehen sollte und dabei gleichzeitig riskierte, von einem kalten Frühling überrascht zu werden. Dazwischen musste stets die Versorgung des Trecks gesichert werden.

Foto: Oregon Trail

Breiterer Öffentlichkeit wurde das Game erst bekannt, als es Mitte der 1980er für den Apple II umgesetzt wurde. Bis ins Jahr 2001 erschienen diverse Neuauflagen und Remakes des Spiels für zahlreiche Desktop- und Mobilplattformen.. 2010 veröffentlichte das Indiestudio The Men Who Wear Many Hats mit "The Organ Trail" eine nette Parodie auf das Spiel, die das gleiche Prinzip in einem Zombie-Setting umsetzte.

Hatten sich Videospiele vor 40 Jahren als neuartige Unterhaltung für vorwiegend jüngere Generationen etabliert, stand ihre Blütezeit aber erst noch bevor. Technologischer Fortschritt und reger Wettbewerb rivalisierender Hersteller brachten in den 1980ern nicht nur farbenfrohe und immer komplexere Games hervor, sondern ermöglichten ihnen auch langsam den Sprung vom Automaten in die Wohnzimmer der Konsumenten. Doch von dieser Erfolgsgeschichte berichtet der GameStandard beim nächsten Ausflug in die Spielegeschichte. (Georg Pichler, derStandard.at, 22.02.2015)

Dan Bull