Wien - Spar-Chef Gerhard Drexel hat das Wachstum des Lebensmittelhandels in Österreich bis in die 60er-Jahre zurückverfolgt. Außer im Jahr der Konsum-Pleite war es noch nie so niedrig wie 2014, sagt er. Den Österreichern fehle es an Kaufkraft, "die kalte Progression frisst steigende Einkommen auf."

Drexel hält eine steuerliche Entlastung der breiten Mittelschicht und der Kleinverdiener für unumgänglich: Er kenne kein zweites Land mit höheren Eingangssteuersätzen als Österreich. Überlegungen zur Streichung von Ausnahmen bei der reduzierten Mehrwertsteuer nennt er im STANDARD-Gespräch einen schweren Fehler, den die Regierung wohl nicht begehen werde. Denn das treffe den Mittelstand überproportional.

Sein Handelskonzern hat 2014 den Umsatz mit Lebensmitteln um 1,9 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro gesteigert. Im Jahr davor betrug das Wachstum vier Prozent. Die gesamte Branche stagnierte.

Eine Sonntagsöffnung im Rahmen einer Wiener Tourismuszone gehört aus Drexels Sicht vorab gut überlegt. Für ihn kommt der offene Sonntag nur infrage, wenn er nicht nur für die Innenstadt, sondern für Wien insgesamt inklusive aller Bahnhöfe gilt. Das Schwierigste sei, die Grenzen festzulegen. Dabei drohten nämlich rasch "enorme Ungerechtigkeiten".

Ungerecht behandelt fühlt sich Spar nach wie vor auch von der Bundeswettbewerbsbehörde. Der Konzern hat wie berichtet Rekurs gegen den Beschluss des Kartellgerichts rund um verbotene Preisabsprachen erhoben. "Wenn wir uns im Recht fühlen, dann lassen wir uns nicht zu einem Settlement hinreißen, nur damit die Sache vom Tisch ist", sagt Drexel. "Die bisherigen Settlement-Verfahren waren ein fauler Kompromiss."

Einen weiteren zähen und kostspieligen Kampf führt Spar in Un- garn. Nach durch die Krisensteuer bedingten Verlusten kehrte die Handelskette in Ungarn 2013 in die Gewinnzone zurück. Nun machen Drexel zwei neue Gesetze einen Strich durch die Rechnung: Zum einen der gesetzliche Zwang, Gewinne erzielen zu müssen, zum anderen die stark erhöhte Lebensmittelaufsichtsgebühr.

Ungarn als Kostentreiber

Diese kostet den Konzern zusätzlich gut 30 Millionen Euro im Jahr. Drexel sieht darin krasse EU-Widrigkeit. "Wir werden hier per Gesetz in die Verluste getrieben." Spar kappt nun die Investitionen in Ungarn um die Hälfte, will einzelne unrentable Standorte schließen und hofft auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU oder einer nationalen Regierung beim Europäischen Gerichtshof. Einen Rückzug aus Ungarn schließt Drexel aus. "Wir sind dort sehr gut aus der Krise gekommen."

Spar setzte im In- und Ausland mit 73.000 Mitarbeitern und 2900 Filialen im Vorjahr in Summe 12,6 Milliarden Euro um. Heuer werden 450 Millionen Euro investiert. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 20.2.2015)