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Instrumente zur Erhöhung der Bodenmobilität sind vorhanden - Gemeinden sind aber oft zaghaft, wenn es um deren Anwendung geht.

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Arthur Kanonier: "Bewusstes Unterscheiden der Länder."

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Raumplanungsexperte Arthur Kanonier hat eine Arbeitsgruppe zum Thema "Leistbares Wohnen " aus Sicht der Raumordnung geleitet. Sein Fazit: Das nötige Instrumentarium wäre meist vorhanden, das Bewusstsein dafür nicht.

STANDARD: Ihre Arbeitsgruppe in der Raumordnungskonferenz hat das raumordnungsrechtliche Instrumentarium zur Unterstützung leistbaren Wohnens durchforstet. Mit welchen Ergebnissen?

Kanonier: Fast die Hälfte unserer Empfehlungen zielt auf baulandmobilisierende Maßnahmen ab. Zusätzlich geht es darum, Sonderwidmungen oder Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau zu definieren oder auch einmal über eine Baulandumlegung nachzudenken. Wenn man das Problem der Baulandhortung einmal in den Griff bekommt, wäre schon viel erreicht. Dann würden sich die Baulandpreise deutlich verringern.

STANDARD: Viele dieser Instrumentarien sind aber nur anwendbar, wenn noch nicht gewidmet ist. Allein in Niederösterreich soll es aber schon gewidmetes Bauland für eine Million Einwohner geben.

Kanonier: Ja, wenn schon gewidmet ist, ist es deutlich komplexer. Wir schlagen konkret eine Baulandbefristung auf zehn Jahre vor, die man auch auf bestehendes Bauland legen könnte, um so zumindest den Druck auf den Grundbesitzer zu erhöhen.

STANDARD: Befristetes Bauland als eigene Widmungskategorie?

Kanonier: Als Zusatz. Es müsste jedenfalls klar sein, dass es diese Frist gibt. Dann könnte man einigermaßen den Bestand in den Griff kriegen. Das wäre ein großes Anliegen von uns. Natürlich könnte so eine Befristung manchmal auch kontraproduktiv sein, weil man nach Fristablauf dann vielleicht plötzlich wieder Grünland in bester Lage hat. Andere Maßnahmen wären etwa Bodenbeschaffungsgesellschaften, auch mithilfe der Länder. Viele Gemeinden können es sich nämlich nicht leisten, Grundstücke anzukaufen, deshalb wäre es gut, wenn sie durch so einen Bodenfonds unterstützt würden. Wien und Tirol haben das, Salzburg auch. Für Niederösterreich fordert der Rechnungshof schon länger einen solchen Fonds.

STANDARD: Über Enteignungen wird regelmäßig diskutiert. Sind sie rechtlich eigentlich möglich?

Kanonier: Von der Raumordnung her nicht. Aber im Volkswohnungswesen sieht das Bodenbeschaffungsgesetz einen Enteignungstitel vor. Dieses Gesetz ist allerdings totes Recht, es wurde nie angewendet. Ich finde, man könnte Enteignungen zumindest als allerletzte Option andenken, wobei die rechtlichen Voraussetzungen für Enteignungen nur selten erfüllbar sein werden. Bei einer entsprechenden Erweiterung des Instrumentariums sitzt man als Bürgermeister ganz anders am Verhandlungstisch.

STANDARD: Unter Bezugnahme auf das Bodenbeschaffungsgesetz könnte eine Gemeinde theoretisch jetzt schon enteignen?

Kanonier: Ja, im Extremfall und unter gewissen Voraussetzungen. Das große Problem ist, sachlich nachzuweisen, dass die Enteignung dieser einen konkreten Liegenschaft das einzige Mittel zur Zielerreichung ist. Das wird kaum gelingen.

STANDARD: Gibt es Ihrer Ansicht nach in den Planungsbehörden - den Gemeinden - überhaupt das nötige Know-how, um all diese komplizierten Instrumentarien anwenden zu können?

Kanonier: Das ist eine berechtigte Frage. Die Komplexität im Raumordnungs- und Baurecht hat sicher in den letzten Jahren zugenommen. Eine Sonderwidmung festzulegen schafft wohl auch ein Gemeinderat in Kombination mit der Aufsichtsbehörde. Eine Vertragsraumordnung ist nicht ganz so trivial, wäre aber auch noch schaffbar. Bei der Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes wäre ich vorsichtig, wenn das eine Kleingemeinde vorhat, denn die praktische Umsetzung wäre hochkomplex, und da gibt es eigentlich keine Anwendungserfahrungen.

STANDARD: Und mit der Vertragsraumordnung? Also dass etwa mit einem Grundeigentümer bzw. Bauträger zivilrechtlich vereinbart wird, dass ein bestimmter Anteil eines Bauprojekts leistbare Wohnungen umfassen muss?

Kanonier: Auch die ist sehr sinnvoll, wird aber viel zu selten angewandt. Vor allem in Oberösterreich hat sich das ganz gut eingespielt. In Wien ist bislang die Anwendungsbereitschaft solcher Verträge eher unterentwickelt, wobei die erforderliche Rechtsgrundlage jüngst geschaffen wurde. Noch Klärungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, wer diese Verträge ausfertigen und unterzeichnen soll. Ich bin der Meinung, dass man im Vorfeld die öffentlichen Interessen klar aufzeigen und begründen muss. Und wenn man diese einmal festgelegt hat, muss man sich überlegen, ob man Maßnahmen setzt, die vielleicht nicht nur auf Freiwilligkeit beruhen. Man wird sich auch die Frage stellen müssen, wie man mit den teils beträchtlichen Umwidmungsgewinnen umgeht, etwa in Tourismusorten.

STANDARD: Bei der Wohnbauförderung gibt es Stimmen, die es für gut halten, dass es neun verschiedene Systeme gibt, weil der Wettbewerb unter den Ländern Innovation schafft. Aber braucht auch Österreich neun Raumordnungsgesetze?

Kanonier: Ich verneine das. Denn wieso soll jedes Bundesland eigene Widmungskategorien definieren, eigene Verfahren und Instrumente entwickeln? Das ist mir nicht klar. Zumindest eine Art bundesweit gültiges Rahmengesetz sollte etabliert werden. Auch wenn mit einer Vereinheitlichung keinesfalls alle Probleme gelöst würden, eine fokussiertere Vorgangsweise wäre aber zielführender als das meiner Meinung nach schon bewusste Unterscheiden in den Ländern. Freilich erscheint eine Vereinheitlichung einer vergleichsweise wichtigen Landesmaterie wenig realistisch, zumal ähnliche Argumente für viele Landesmaterien gelten. In letzter Konsequenz würden solche Harmonisierungsbemühungen wohl insgesamt die Landtage infrage stellen, was in erheblichem Widerspruch zur gegenwärtigen realpolitischen Situation steht. (DER STANDARD, 21.2.2015)