"Die Schadenfreude-Promi-Geschichten haben einmal super funktioniert in 'News'. Aber durch die vielen Fernsehformate zur Befriedigung von Schadenfreude haben sie sich überholt. Wie soll man mithalten mit alldem, was sich Leute im Mainstreamfernsehen selbst antun?" Eva Weissenberger über ihre Pläne für das "Leute"-Ressort in "News".

Foto: News/Ricardo Herrgott

Wien - Mehr "lebensnahe", womöglich weiblichere Themen wie Familie und Ernährung auf dem Cover, weniger aggressiver Ton und keine Rücksicht auf "Profil": was sich die neue Chefredakteurin Eva Weissenberger für "News" vorgenommen hat und warum sie "superanständige" Führungskräfte suchte.

STANDARD: Was hat man sich unter Eva Weissenbergers "News" vorzustellen?

Weissenberger: Mit dem Erscheinungstag Samstag verändert sich der Charakter des Hefts: Als es 1992 für den Donnerstag gegründet wurde, hat "News" in die Woche hineingeknallt. Die Medienlandschaft hat sich grundlegend verändert. Heute kann man mit "News" gar nicht mehr hineinknallen. Der Informationsfluss reißt die Menschen ununterbrochen mit.

STANDARD: Und "News" befährt da besser als Ausflugsdampfer die etwas ruhigeren Gewässer des Wochenendes?

Weissenberger: "News" wurde bewusst sehr laut, sehr aggressiv gegründet, es hatte damit damals großen Erfolg. Am Wochenende will man sich nicht ...

STANDARD: ... anschreien lassen ...

Weissenberger: ... jedenfalls nicht laut anreden lassen. Man holt sich "News" von der Türmatte, setzt sich zum Frühstück oder auf die Couch, blättert und liest.

STANDARD: Aber das Heft heißt weiter "News"?

Weissenberger: Der Name bleibt, und ihm bin ich schuldig, dass es weiter aktuelle Geschichten gibt, Aufdeckerstorys. Aber dazu kommt eine freundlichere Anmutung, unterhaltsamer, witziger, mehr Lese- und Schauvergnügen. Dafür braucht man eine neue Schreibe, die "Tempo"- und "Basta"-Sprache hat sich überholt. Dafür holen wir Wolfgang Kralicek als Textchef.

STANDARD: Womit titelt dieses "News"? Das werden wohl nicht dieselben Themen, nur entspannter geschrieben.

Weissenberger: Entspannt, aber spannend geschrieben. Und viel häufiger als bisher mit sogenannten lebensnahen Themen, die jeden interessieren.

STANDARD: Also jenen Themen, mit denen "Die Zeit" schon einige Zeit recht erfolgreich die meisten ihrer Bildaufmacher bestreitet: Gesellschaft, Gesundheit, Beziehung, Ernährung ...

Weissenberger: Wenn sich "Die Zeit" in drei Jahren schleichend zur "Brigitte" entwickeln kann, dann kann "News" das besser. Wir sind ein Hochglanzmagazin, dazu passen diese Themen wunderbar.

STANDARD: Und was macht das "Profil" dann am nächsten Tag mit seinen Sex- und Wirbelsäulen-Covers?

Weissenberger: Das ist nicht meine Baustelle.

STANDARD: Konzernchef Horst Pirker soll Ihnen gesagt haben: Positionieren Sie "News" neu ohne Rücksicht auf "Profil".

Weissenberger: Dem Sinne nach ja, er sagt dann etwas wie: Jede Marke muss für sich selbst wissen, was für sie am besten ist. Die genannten Themen passen wunderbar in "News" am Samstag. Wenn "Profil" sie auch machen will, kann ich das nicht verhindern.

STANDARD: Zuletzt titelte "Profil" mit seiner Sicht auf "50 Shades of Grey" und "News" mit Swissleaks.

Weissenberger: Dann sollten Sie vielleicht jemand anderen zur Abgrenzung zwischen diesen beiden Heften fragen. Hätte "Profil" die Swissleaks-Geschichte von Stefan Melichar gehabt, hätten die Kollegen vielleicht auch damit aufgemacht – eventuell mit einem anderen Bild und einem anderem Text.

STANDARD: Wann wird man denn Eva Weissenbergers Handschrift in "News" erkennen können?

Weissenberger: Noch in diesem Frühling.

STANDARD: Aber noch nicht am 7. März, wenn das Heft erstmals am Samstag erscheint.

Weissenberger: Nein, auch wenn ich für mein Gefühl sehr schnell unterwegs bin. Die erste Etappe ist: neuesTeam. Parallel dazu versuche ich herauszufinden, wie lange ich mit den neuen Leuten für einen Rebrush brauche. Mit den neuen Leuten, und wenn ich das Heft übernehme, verändert sich die Themensetzung. Dann wird man es merken.

STANDARD: Wie lautet eigentlich Ihre Aufgabe bei "News"?

Weissenberger: "News" glaubwürdig zu machen. Wieder relevant. Und auf dem Lesermarkt zu reüssieren.

STANDARD: "News" hatte einst fast 20 Prozent Reichweite, heute liegt es bei 6,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren. Lässt sich dieses Reüssieren beziffern?

Weissenberger: Es gibt keine Zielvorgabe. Aber es geht natürlich darum, möglichst rasch den Sinkflug zu stoppen und besser zu werden, ohne konkrete Zielvorgabe. Und die Mediaanalyse reagiert langsam auf Veränderung, man wird das also dort wohl in zwei Jahren merken.

STANDARD: Und was haben Sie sich für den Job vorgenommen?

Weissenberger: Die drei Ziele habe ich verinnerlicht. Und ich fange mit der Glaubwürdigkeit an, dafür stehe ich, und dafür stehen alle, die ich bisher geholt habe.

STANDARD: Die neu engagierten Leute gelten nicht gerade als Bewunderer von "News"-Gründer Wolfgang Fellner und dessen Arbeitsweisen.

Weissenberger: Ich hatte aus den 1990ern schwere Vorurteile gegen "News". Aber ich habe auch beobachtet: Das Magazin war zuletzt viel anständiger, als man glaubte. Chefredakteur Wolfgang Ainetter hat sich wirklich nichts zuschulden kommen lassen. Nur: Es ist verdammt schwer, so ein Image loszuwerden. Das ist jetzt meine Aufgabe. Nur mit Menschen, die für Superanständigkeit stehen, wie ich sie jetzt geholt habe, kann man ein solches Image drehen.

STANDARD: Soll "News" nun der Fellner ausgetrieben werden?

Weissenberger: Fellner verschenkt Fellner seit bald zehn Jahren. Und niemand beherrscht den Fellnerismus so gut wie er. Ist doch logisch, dass das Verkaufen von Fellner-Imitaten kein funktionierendes Geschäftsmodell ist.

STANDARD: Gehört es zum Job des "News"-Chefredakteurs, Werbekunden zu treffen?

Weissenberger: Ich treffe immer gerne interessante Leute. Das heißt ja noch nicht, dass ich die Geschichte schreibe, die meine Gesprächspartner sich vielleicht wünschen. Es gehört zu den Aufgaben einer Chefredakteurin und eines Chefredakteurs, mit Wirtschaftsbossen und Politikern im Gespräch zu sein. Ich mache ja keine Geschäfte. Und wenn wir den neuen Look & Feel haben, werden wir das Heft den Werbekunden vorstellen, und ich werde erklären, was ich da vorhabe.

STANDARD: Sie haben eine Reihe neuer Führungskräfte für "News" engagiert. Es wirkt, als würde Konzernchef Pirker da erst einmal ordentlich investieren.

Weissenberger: Das Personalbudget bleibt gleich.

STANDARD: Aber ausgehen muss sich diese Gleichung wohl mit dem begonnenen Austauschprozess: Hubert Wachters Pension, Chronikchefin Martina Prewein geht, und womöglich auch noch weitere langjährige Redaktionsmitglieder. Ist die neue Redaktion nun komplett?

Weissenberger: Ich hoffe nicht. In dem Tempo geht es leider nicht weiter, aber das werden nicht die letzten Neuzugänge sein. Die bisher Engagierten sind eher für die harten Nachrichten zuständig. Natürlich brauche ich für die anderen Heftteile auch noch frischen Wind. Aber es gibt ja gute Leute bei "News".

STANDARD: Society ist ein wesentlicher Erfolgsbestandteil von "News". Haben Phänomene wie die Lugners einen Platz im neuen "News"?

Weissenberger: Die Lugners als Chiffre für eine bestimmte Art von Pseudoprominenz nicht, eine interessante, intelligente Geschichte aus dem Leben Richard Lugners, die man noch nicht kennt, durchaus – sollte es eine solche geben. Die Schadenfreude-Promi-Geschichten haben einmal super funktioniert in "News". Aber durch die vielen Fernsehformate zur Befriedigung von Schadenfreude haben sie sich überholt. Wie soll man mithalten mit alldem, was sich Leute im Mainstreamfernsehen selbst antun?

STANDARD: Und was soll's dann in der Society werden?

Weissenberger: Interessante Menschen, die man grundsätzlich gut findet, erzählen interessante Geschichten, die man bisher nicht kannte. Vielleicht gibt es noch eine Kolumne, die Promis weiterhin durch den Kakao zieht. Aber das Wesen des hinteren Heftteils ist nicht, die Leute fertigzumachen. Sondern: schöne Geschichten über Leute, die einen interessieren. Wenn ich einen Menschen blöd finde, dann interessiert mich auch nicht, wen er heiratet, wer dessen Busen operiert hat oder wie er sich gerade scheiden lässt.

STANDARD: Über wen würde die Chefredakteurin dort also gerne eine interessante Geschichte lesen? Sie zählen ja auch zur Zielgruppe.

Weissenberger: Ich bin voll Zielgruppe, natürlich. Zum Beispiel die über "Vorstadtweiber" – lauter interessante Frauen, und Männer eigentlich auch.

STANDARD: "Der Sex der Vorstadtweiber"?

Weissenberger: Das war die Story in "TV-Media".

STANDARD: Apropos: In den Präsentationen der News-Gruppe für Werbekunden kündigt das Management eine "Medienstrecke" in "News" an. Was hat man sich darunter vorzustellen

Weissenberger: Es wird Medienberichterstattung geben. Die gab's bis "TV-Media" auch schon in "News". Aber nun werden wir über Medien berichten – und nicht wie damals versuchen, Medienpolitik zu machen.

STANDARD: Wie "TV-Media" wurden aus "News" noch "Woman", "Format" und andere Magazine ausgekoppelt, bis schließlich nur noch ein Gerippe übrig schien.

Weissenberger: Wenn eine Mutter ein Kind zur Welt bringt, gibt sie dem Kind nicht ihren Fuß oder ihr Ohr mit. Da entsteht etwas Neues, und die Mutter bleibt komplett. Das lief bei "News" nicht ganz so. Aber das muss ja nicht so bleiben. Vieles davon werden wir jetzt wieder aufpäppeln.

STANDARD: Kann man von der "Kleinen Zeitung" etwas für "News" lernen?

Weissenberger: Absolut. Die "Kleine Zeitung" beherrscht einen wunderbaren Spagat zwischen Breite und Tiefe – eine intelligente Zeitung mit auch intellektuellen Themen, aber zugleich wahnsinnig breitenwirksam. Das habe ich dort gelernt. Darin ist Chefredakteur Hubert Patterer Meister, und das habe ich jetzt sieben Jahre bei ihm gelernt.

STANDARD: Der "Stern" wurde 2014 in der Verlagsgruppe News recht häufig als mögliche Zielvorstellung genannt.

Weissenberger: Die gute Lesegeschichte, die tolle Reportage war immer die Domäne des "Stern". Dafür war das "News" aktueller und viel politischer als der "Stern". Ohne das zu verlieren, hätte ich gerne ein bisschen mehr vom "Stern". An diesem Stern kann man sich schon orientieren.

STANDARD: Ein Leitstern, quasi.

Weissenberger: So könnte man sagen, ein Leitstern. Ich lese ihn sehr gerne.

STANDARD: In der neuen Führungsriege von "News" sind nun, dort ungewohnt, viele Frauen. Soll "News", wenn man das überhaupt so sagen kann, auch inhaltlich weiblicher werden?

Weissenberger: Wenn lebensnahe Themen wie Ernährung und Familie weibliche Themen sind, dann wird "News" weiblicher. Und wenn eine leisere Tonalität und eine fröhlichere Anmutung weiblich ist. Derzeit wird "News" mehr von Männern als von Frauen gelesen. Ich glaube aber, dass potenziell mehr Frauen als Männer zu General-Interest-Magazinen greifen. Also haben wir dort mehr Steigerungspotenzial.

STANDARD: Und Sie haben mit diesem Ziel Journalistinnen engagiert?

Weissenberger: Engagiert habe ich die Kolleginnen und Kollegen, weil sie die Besten in ihrem Fach sind. Wenn sie auch Frauen sind, ist das gut. Übrigens leiten zwei tolle Frauen bei uns auch Online – Mesi Tötschinger – und Bild – Susanne Gröger. Bisher hatten Frauen bei "News" nicht so viel zu sagen, das war eher ein Männerbetrieb. Damit ist jetzt Schluss. Aber: Am liebsten arbeite ich in ausgewogenen Teams. Und wir haben noch lange keinen Frauenüberhang.

STANDARD: Wenn wir schon bei der Digitalchefin sind: Wie soll es mit "News" online weitergehen?

Weissenberger: Im Gegensatz zu meinen Vorgängern ressortiert "News" auch online zu mir. Auch das werden wir neu aufsetzen. Aber das wird noch dauern, das schüttelt man nicht aus dem Ärmel.

STANDARD: Was soll es werden?

Weissenberger: Ziel ist eine sinnvolle Ergänzung des Heftes unter einer gemeinsamen Marke. Wir sind noch am Anfang der Konzeption.

STANDARD: Was liefert eine Webseite zu einem Laid-Back-Samstagsmagazin?

Weissenberger: Vertiefende Inhalte, aber daran arbeiten wir noch. Mit dem Heft bin ich im Kopf schon weiter.

STANDARD: In der gerade engagierten neuen "News"-Führungsriege fällt neben der "Falter"-Vergangenheit vieler auch auf, dass ein Gutteil beim Fernsehen gearbeitet hat.

Weissenberger: Das war nicht der Grund, schadet aber natürlich nicht. Julia Ortner und Rainer Fleckl waren die erste Wahl für das, was sie können, und beide haben das Schreiben vermisst. Aber Fernseherfahrung in der Repräsentation nach außen kann ein Magazin, das sich vermarkten muss, natürlich gut brauchen. Und: "ZiB 2" und Servus TV sind angesehene Marken, ein bisschen Imagetransfer schadet auch nicht.

STANDARD: Im Herbst 2014 galt "News" als Himmelfahrtskommando.

Weissenberger: Das haben mir damals fast alle gesagt.

STANDARD: Und was hat Sie überzeugt, es dennoch zu machen?

Weissenberger: Ein General-Interest-Wochenmagazin ist sicher eine der spannendsten Aufgaben des Landes im Journalismus. Im Erscheinungstermin Samstag steckt für mich viel Fantasie für das Heft. Und es ist schön, nach Wien zurückzukommen.

STANDARD: Der Erscheinungstag Samstag kostet aber auch mehr im Vertrieb.

Weissenberger: Das ist eine verlegerische Entscheidung. Und es war eines der Argumente, den Job anzunehmen.

STANDARD: Türmatte und Couch sind womöglich schon mit Wochenendzeitungen unterschiedlicher Qualität belegt. Sind Samstag und Sonntag nicht schon am dicksten mit Lesestoff besetzt?

Weissenberger: Gibt es in Österreich ein General-Interest-Magazin auf Hochglanzpapier, das am Samstag spätestens um sechs Uhr vor der Tür liegt? Ich habe keines abonniert. Aber ja, natürlich gibt es starke Konkurrenz, wir leiden alle unter TMI, too much information. Deshalb wird "News" Orientierung bieten, auf dass ich mich in meinem Leben und in der Welt besser zurechtfinde: alles, was ich wissen muss; vieles, was ich machen könnte; allerhand, das mich inspiriert und zum Träumen verführt.

STANDARD: Gibt es schwierigere Herausforderung in der österreichischen Medienbranche, als "News" auf Vordermann zu bringen?

Weissenberger: Ja, es ist schwierig. Aber es ist ja nicht so, dass es die anderen leicht hätten. Eine Bezahltageszeitung im Wiener Markt, die auf die breite Masse abzielt, ist zumindest so herausfordernd. Als Helmut Brandstätter den "Kurier" übernommen hat, war die Aufgabe noch schwieriger, als das "News" flottzumachen.

STANDARD: Wann ist "News" gelungen?

Weissenberger: Wenn die Leser sich darauf freuen, dass es am Samstag vor der Türe liegt, und sie möglichst lange Zeit damit verbringen, eine Geschichte weitererzählen, vielleicht etwas gelernt haben, geschmunzelt haben, sich gut unterhalten haben, sich vielleicht eine Seite herausreißen. Wenn sie in der nächsten Woche zwei Minuten länger damit verbringen. Und wenn sie unter der Woche auf news.at vorbeischauen – und dann wieder und wieder. (Harald Fidler, derStandard.at, 20.2.2015)