Egal, ob Mieter oder Eigentümer - ein Nachbarschaftsstreit vor Gericht ist ziemlich langwierig.

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Nur wenige Akteure der Immobilienbranche finden sich so oft in den Medien wie er: der Mieter. Er ist ein schillerndes und rätselhaftes Wesen - will im Stehen pinkeln (darf er), sich mit übel riechender Salbe einreiben und bei offenem Fenster rauchen (beides eher problematisch - DER STANDARD berichtete). Die Rede ist von Gerichtsurteilen gegen Mieter, die in Deutschland und Österreich in den letzten Monaten Aufsehen erregten.

Unumstrittenes Worst-Case-Szenario für Mieter ist wohl eine Kündigung des Mietvertrags. Ein deutscher Mieter musste seine Wohnung in Bonn beispielsweise im Vorjahr räumen, weil die Geruchsbelästigung durch eine von ihm verwendete Pferdesalbe eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung darstellte. Auch nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstandes oder unleidliches Verhalten sind Kündigungsgründe.

"Rein abstrakte" Möglichkeiten

Richtig haarig wird es aber, wenn es nicht ein Mieter ist, der das Zusammenleben im Haus erschwert, sondern ein Wohnungseigentümer, sagt Helmut Puchebner, Präsident des Österreichischen Mieter- und Wohnungseigentümerbundes. In so einem Fall hält das Wohnungseigentumsrecht zwar auch Möglichkeiten bereit - diese seien aber "sehr abstrakt", sagt Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband.

Wohnungseigentümer können theoretisch eine Ausschlussklage gegen ein Mitglied der Eigentumsgemeinschaft einbringen. Möglich sei das im absoluten Extremfall, wenn ein Wohnungseigentümer ein gemeinsames Wohnen im Haus "faktisch und rechtlich unmöglich" mache. Wird den Klägern vor Gericht Recht gegeben, dann wird die Wohnung des Beklagten zwangsversteigert. Enteignung sei das keine, sagt Kirnbauer, denn der Eigentümer erhalte den Versteigerungserlös.

Ausschlussklagen kommen jedoch in der Praxis "so gut wie gar nicht vor", betont Kirnbauer - auch, weil es kaum zu verhindern sei, dass die Wohnung über Strohmänner und -frauen wieder an dieselbe Person gehe. Einzelne erfolgreiche Klagen gab es aber, etwa bei Wohnungsprostitution, unzumutbarer Tierhaltung oder Vandalenakten. Puchebner weiß von einem Fall zu berichten, wo ein Eigentümer ausgeschlossen wurde, weil er seine Wohnung als Vereinslokal verwendet hatte.

Langwierige Verfahren

Häufiger kommt es laut Kirnbauer zu einer Unterlassungsklage, sowohl bei Mietern als auch Eigentümern. Hält sich der Betroffene nicht an ein rechtskräftiges Urteil, können Exekutionsanträge gestellt werden. Auch das sei aber "eine extrem schwierige Angelegenheit". Im Exekutionsverfahren sei dann zu prüfen, ob das Verhalten tatsächlich fortgesetzt wurde. Wenn das so ist, dann folgen Geldstrafen. Das dauert.

Einem Mieter wurde erst vor kurzem in einem erstinstanzlichen Urteil eines Wiener Bezirksgerichts untersagt, auf seiner Loggia und in seiner Wohnung bei geöffnetem Fenster Zigarre zu rauchen (siehe dazu auch Interview). Das Urteil sei durchaus auch auf Wohnungseigentümer übertragbar, meint Kirnbauer. Es gebe bereits Judikatur, die besage, dass im Streitfall jener Wohnungsbesitzer rechtlich stärkergestellt sei, der schon länger im Haus wohnt. Im erwähnten Fall wäre das der Raucher gewesen. Daher ließ sich der Kläger auch die Rechte des vermietenden Hauseigentümers abtreten und machte dessen Vermieterrechte geltend.

Schwierig zu lösen

"Wenn der Raucher Wohnungseigentümer und später eingezogen wäre, dann wäre dieselbe juristische Argumentation zum Tragen gekommen", schätzt Kirnbauer. Aber wenn er schon länger als der Nichtraucher im Haus gewohnt hätte, "dann wäre die Klage des Nichtrauchers wahrscheinlich abgewiesen worden". Dass starkes Rauchen für eine Ausschlussklage reichen würde, glauben die Experten übrigens nicht.

Egal, ob zur Spezies der Mieter oder Wohnungseigentümer gehörig - rasche Lösungen dürfen bei Nachbarschaftskonflikten vor Gericht keine erwartet werden, wissen Kirnbauer und Puchebner aus Erfahrung. Das ist besonders in diesem Kontext schwierig: Dem Gegner begegnet man naturgemäß nämlich nicht nur mit seinem Anwalt - sondern wohl auch bei sehr viel alltäglicheren Tätigkeiten wie dem Hinausbringen des Mülls. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 21.2.2015)

Nachlese

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