Athen/Washington - Im Schuldenstreit mit seinen Europartnern scheint Griechenland unmittelbar vor den womöglich entscheidenden Verhandlungen der Finanzminister weitgehend isoliert dazustehen. Minister mehrerer EU-Länder forderten vor den Gesprächen am Freitagnachmittag in Brüssel ein klares Bekenntnis zu früheren Reformzusagen an die Gläubiger.
Auf Arbeitsebene stellten sich zuvor nach Angaben aus Teilnehmerkreisen alle anderen Regierungen hinter die harte Haltung des größten Geldgebers Deutschland. Allerdings lehnte es die griechische Regierung ab, ihren Antrag auf eine Verlängerung der dringend benötigten Kredithilfen nachzubessern. EU-Kommissar Günther Oettinger hält eine Einigung weiter für möglich – möglicherweise aber nur auf Ebene der Regierungschefs.
Sondertreffen
Die Euro-Finanzminister wollten am Nachmittag erneut auf einem Sondertreffen über die finanzielle Zukunft Griechenlands beraten. Das jetzige Kredit- und Reformprogramm läuft in einer Woche aus, danach droht dem vom Kapitalmarkt abgeschnittenen Staat die Pleite. Die Eurozone lehnt eine lediglich technische Verlängerung der Darlehen ab und fordert auch ein Bekenntnis zu den Reformen. Den griechischen Antrag wies die deutsche Regierung in einem Vorbereitungspapier für das Treffen als "Trojanisches Pferd" zurück. Griechenland wolle lediglich eine Brückenfinanzierung erreichen und unter dem Strich das Reform- und Hilfsprogramm stoppen.
Diese Position sei von allen anderen Regierungen beim Vorbereitungstreffen der Euro-Arbeitsgruppe am Donnerstag geteilt worden, erfuhr die Agentur Reuters von Teilnehmern der Sitzung. Griechenland müsse sich demnach klarer zu den Reformzusagen bekennen. Dagegen sagte ein griechischer Regierungssprecher, Athen werde nicht über die Verlängerung des Rettungsprogramms mit den Spar- und Reformauflagen diskutieren und halte an dieser Position auch gegenüber der Eurogruppe fest. Das Land habe alles getan, um eine Lösung zu finden, die zum Wohle aller Beteiligten sei. Nach griechischen Angaben telefonierte Regierungschefs Alexis Tsipras wegen des Streits am Donnerstag mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande.
Einigung nicht ausgeschlossen
Trotz des Disputs der Minister wurde eine Einigung bei der Sondersitzung nicht ausgeschlossen. Der finnische Finanzminister Antti Rinne zeigte sich zuversichtlich, dass der Streit in letzter Minute beigelegt werden kann. "Vergangene Nacht ist ein Funke der Hoffnung aufgeglüht, dass eine Verständigung erzielt werden kann", sagte er der Zeitung "Helsingin Sanomat". Aber auch er betonte: "Griechenland könnte das vorliegende Hilfsprogramm fortsetzen, um seine Wirtschaft zu stärken."
Portugal, das selbst harte Reformen hinter sich hat, pochte auf gleiches Recht für alle. Es gebe in der Eurozone einen Rahmen, in dem man mit Griechenland reden könne, und "dieser Rahmen ist das derzeitige Hilfsprogramm", sagte Finanzministerin Maria Luís Albuquerque dem deutschen "Handelsblatt". Darin seien sich alle anderen Euroländer einig. Das Programm biete die Möglichkeit, mit den Geldgebern über Änderungen an einzelnen Vereinbarungen zu sprechen. Das habe ihr Land gezeigt. Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte den "Oberösterreichischen Nachrichten", bevor über neue Vereinbarungen gesprochen werden könne, müsse das auslaufende Hilfsprogramm abgearbeitet werden.
Viele Unwägbarkeiten
Oettinger hält trotz vieler Unwägbarkeiten eine Einigung für denkbar. "Wir streben an, dass Griechenland in der Eurozone bleibt", sagte er im Deutschlandfunk zur Haltung der EU-Kommission. "Die griechische Regierung muss einfach verstehen, wir sind gutwillig, aber nicht dumm, wir sind entgegenkommend, aber lassen uns nicht ausnehmen." Auf der Grundlage halte er in den nächsten acht Tagen eine Einigung für möglich, gegebenenfalls auf einer weiteren Sitzung der Regierungschefs.
Tsipras optimistisch
Die griechische Regierung sieht sich allerdings nur noch wenige Schritte von einer Einigung entfernt. "Wir haben vier Fünftel des Weges zurückgelegt, jetzt müssen sie noch ein Fünftel zurücklegen", sagte ein Regierungsvertreter am Freitag. Griechenland werde aber nicht von seinen Positionen abweichen, wenn Druck ausgeübt werden sollte und die Stimmung ähnlich sei wie beim Eurogruppen-Treffen in der vergangenen Woche.
Auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zeigte sich optimistisch: "Griechenland hat alles dafür getan, um zu einer für beide Seiten vorteilhaften Lösung zu kommen, die auf dem Prinzip des gegenseitigen Respekts beruht – Respekt sowohl für die Regeln der EU als auch für das Wahlergebnis von Mitgliedsstaaten", sagte Tsipras am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich bin mir sicher, dass der griechische Antrag für eine sechsmonatige Verlängerung der Kreditvereinbarung mit den Auflagen, die damit verbunden sind, akzeptiert werden wird. Das ist der Zeitpunkt für eine historische politische Entscheidung über die Zukunft Europas."
Mahnung aus den USA
Die Unsicherheit über Griechenlands Verbleib in der Eurozone bewegt nicht nur Europa. Am Donnerstag war auch deutliche Zurückhaltung an der Wall Street zu spüren, viele Anleger gingen auf Nummer sicher.
Die USA drängten Griechenland und die anderen Euroländer erneut zu einer Einigung. "Die Botschaft geht parallel an Deutschland und Griechenland und andere in Europa", sagte ein ranghoher Vertreter des US-Finanzministeriums am Donnerstag. "Es ist wichtig für den Euro und die Weltwirtschaft, eine Einigung zu erreichen." Beide Seiten müssten dazu bereit sein, Kompromisse einzugehen. (Reuters, red, 20.2.2015)