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Eine nordkoreanische Arbeiterin in einer nordkoreanischen Lebensmittelfabrik. Auch wenn die Arbeitsumstände im Ausland schlecht sind, ziehen viele Nordkoreaner es vor, den Sprung nach draußen zu wagen.

Foto: APA/EPA/Kcna

Wer in Nordkorea eine Arbeit außer Landes ergattern möchte, muss sich dieses Privileg mit reichlich Schmiergeld und Vitamin B erkaufen. Selbst Söhne und Töchter der mittleren Parteielite reißen sich um einfache Bergarbeiter- und Kellnerjobs. Diese locken nicht nur mit einem überdurchschnittlichen Lohn, sondern auch der einzigartigen Möglichkeit, die Grenzen des Landes auf bestimmte Zeit hinter sich zu lassen.

Der gelernte Zimmermann Rim Il arbeitete fünf Monate lang auf Baustellen in Kuwait, bevor er 1997 über die südkoreanische Botschaft flüchtete. Bei der Pressekonferenz einer Menschenrechtsorganisation in Seoul sagte der Nordkoreaner über seine Zeit als Arbeitsmigrant: "Unser Leben war nichts als Sklaverei".

Geld für das Regime

Schon zu Sowjetzeiten arbeiteten Nordkoreaner als Holzfäller in Sibirien, um die Schulden des Landes zu begleichen. Heute bedienen sie in chinesischen Restaurants, errichten Monumente für afrikanische Diktatoren oder werden in tschechischen Textilfabriken ausgebeutet. 2012 veröffentlichte die in Seoul sitzende NGO North Korea Strategy Center einen Bericht, nachdem bis zu 65.000 Nordkoreaner in über 40 Ländern arbeiten. Sie bringen dem Regime jährlich bis zu 230 Millionen Dollar.

Seit Kim Jong-un das Land regiert, soll die Anzahl der Gastarbeiter stark angestiegen sein. Menschenrechtsorganisation vermuten, dass Pjöngjang auf diese Weise versucht, die immer rigideren Sanktionen zu umgehen. Die Löhne der Arbeiter würden teilweise die Luxusgüter der Parteikader finanzieren, behauptet etwa die südkoreansiche NGO NK Watch. In einem Bericht des Asan Institute for Policy Studies heißt es, dass zurückkehrende Arbeiter als Kuriere missbraucht werden, um ausländisches Bargeld ins Land zu bringen.

Menschenhändlerring

Ihr drastischster Vorwurf lautet: Pjöngjang würde wie ein international agierender Menschenhändlerring Teile seiner Bevölkerung als Sklaven auszubeuten. Dieser Punkt wird jedoch kontrovers diskutiert.

Die Gretchenfrage ist vor allem die nach der gerechten Entlohnung. Auch wenn nordkoreanische Arbeiter auf russischen Baustellen im Vergleich zu Einheimischen nur ein Bruchteil bezahlt bekommen und gleichzeitig längere Schichten stemmen müssen, können sie laut dem Nordkorea-Experten Andrei Lankov im Schnitt 300 Dollar im Monat ansparen. Im Inland würde ein durchschnittlicher Familienhaushalt pro Monat maximal 50 Dollar verdienen.

Ständige Überwachung

Für Lankov gäbe es also nur einen einzigen Grund, den nordkoreansichen Arbeiterexport einzuschränken, wie er im Fachmedium "NK News" schreibt: weil sie ein wesentliche Einkommensquelle an Fremdwährung für das Regime darstellen. Dass es dabei um die Befreiung von modernen Arbeitssklaven ginge, sei unehrlich, denn die meisten Arbeiter seien froh, dass sie im Ausland arbeiten dürften.

Menschenrechtsgruppen zeichnen jedoch ein konträres Bild: Die Arbeiter arbeiten zwölf Stunden oder mehr, und zwar sieben Tage die Woche. Sie werden ständig überwacht und erhalten nur einen Bruchteil von ihrer versprochenen Bezahlung. Kaum jemand würde flüchten, weil ihren Familien in Nordkorea Lagerhaft drohe.

Besser als Zuhause

Als Rim Il in Kuwait nach seinem Lohn fragte, wurde er von seinem Vorgesetzten damit abgefertigt, dass er an das hungernde Volk zuhause denken und froh darüber sein sollte, dass er hier drei volle Mahlzeiten erhalte. In seinen fünf Monaten wurde er nur ein einziges Mal bezahlt: Anlässlich der Geburtstagsfeierlichkeiten von Kim Jong-il händigten die Vorgesetzten jedem Arbeiter 65 Dollar aus, um Zigaretten zu holen.

Den Arbeitern ergehe es trotz allem im Ausland besser als Zuhause, behauptet einer der renommiertesten Nordkorea-Experten. Menschenrechtsorganisationen wiederum klagen: Die nordkoreanischen Migranten seien Opfer moderner Sklaverei. Sie widersprechen sich nicht. (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 20.2.2015)