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Detail aus Gustav Klimts Fries für die Ludwig van Beethoven 1902 gewidmete Ausstellung in der Secession: allegorische Figuren symbolisieren die Sehnsucht nach dem Glück, die im idealen Reich der Künste gestillt wird.

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Die XIV. Ausstellung der Secession war eine Hommage an den Komponisten: Der linke Seitensaal mit Gustav Klimts Fries, das ebenso wie andere Wandgemälde nach der Ausstellung entsorgt werden sollte.

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Detail aus Klimts Fries: "Der scheußliche Gorilla, die schamlosen Caricaturen der edlen Menschengestalt – das sind keine Kunstwerke mehr – das sind Beleidigungen unserer heiligsten Gefühle" (22. April 1902, in einer Wiener Zeitung)

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In der NS-Zeit wurde der bereits 1903 in Panelen zerteilte Fries sichergestellt und lagerte nach dem Zweiten Weltkrieg unter teils desaströsen Bedingungen. In den 1950er Jahren etwa in Stift Altenburg.

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Nach mehr als zwei Jahrzehnten vergeblicher Verhandlungen sollte Bruno Kreisky die Wende einleiten. Im Juni 1970 verfasste Erich Lederer diese Aktennotiz.

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Der Großindustrielle August Lederer und seine Ehefrau Szerena (hier in den 1930er Jahren) erwarben den Beethovenfries 1915 (von Carl Reininghaus). Die Verhandlungen um die Restitution führte ab 1945 deren Sohn Erich Lederer.

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Pornografisch und schlicht scheußlich, schimpften die einen, fantastisch, ja ein Hauptwerk des Künstlers, urteilten die anderen. An Gustav Klimts Beitrag zur XIV. Ausstellung der Wiener Secession, die als Gesamtkunstwerk und als Hommage an Ludwig van Beethoven konzipiert war, schieden sich im April 1902 die Geister: einem etwa 34 Meter langen Wandgemälde, das sich auf Richard Wagners Interpretation der IX. Sinfonie des Komponisten bezog und dessen allegorische Figuren die Sehnsucht nach dem Glück symbolisierten, die im idealen Reich der Künste gestillt wird.

Dieser Beethovenfries sorgt bis heute für Diskussionen, wenngleich aus anderen Gründen als einst. 1902 war es die Nacktheit, die sich Klimt zu malen erdreistet hatte, dann wieder die Art, wie er sie malte. "Schamlose Caricaturen der edlen Menschengestalt, das sind keine Kunstwerke mehr, das sind Beleidigungen unserer heftigsten Gefühle!" Der positive Nebeneffekt der polemischen Debatte: Die Ausstellung schloss nach zwei Monaten mit einem Rekord von 58.200 Besuchern.

Zum Vergleich: Gegenwärtig liegt die Zahl pro Ausstellungszyklus bei etwa 14.200. Bereinigt um Vernissagen und Veranstaltungen kommen derzeit jährlich etwa 105.000 Besucher, bis zu 85 Prozent nur wegen des Frieses. Für die Secession ist das einst nur als temporärer Wandschmuck vorgesehene Kunstwerk von existenzieller Bedeutung. Flapsig formuliert handelt es sich um einen Goldesel, der zwei Drittel des Budgets abwerfen dürfte. Das erklärt, warum die Aussicht auf einen möglichen "Verzicht" derartiges Bedrohungspotenzial besitzt, dass ein sachlicher Diskurs bisweilen überaus schwierig scheint.

Etwa auch, wenn es um einen hinter den Kulissen schwelenden Disput zwischen dem Eigentümer (Belvedere) und dem Leihnehmer (Secession) geht, bei dem konservatorische Probleme im Mittelpunkt stehen. Dem Vernehmen nach sei die derzeitige Form der Installation im Untergeschoß suboptimal, da der Fries über Ausstellungsaufbauten im Hauptraum darüber Erschütterungen ausgesetzt sei. Das Belvedere als dafür verantwortliche Partei will dies auf Anfrage nicht kommentieren. Ende 2015 läuft der derzeitige Leihvertrag aus, und man wird sich deshalb im Vorfeld mit diesem Thema beschäftigen (müssen).

1972: Ankauf Republik

Angesichts der aktuellen Front rückt derlei jedoch in den Hintergrund. Denn im Oktober 2013 beantragten zwei Erbengruppen nach Erich Lederer die Rückgabe des Frieses. Entsprechend des Prozederes landete die Causa bei der Kommission für Provenienzforschung.

Was die Angelegenheit auf den ersten Blick kompliziert wirken lässt: Der Beethovenfries war bereits Gegenstand eines Rückstellungsverfahrens nach dem Zweiten Weltkrieg, die Restitution wurde zwar beschlossen, aber letztlich nicht realisiert. Stattdessen verkaufte Erich Lederer den Fries 1972 für 15 Millionen Schilling an die Republik. Dessen ungeachtet hat der neuerliche Antrag juristisch seine Berechtigung, basierend auf der 2009 novellierten Fassung des Kunstrückgabegesetzes von 1998. Demnach sind Rückstellungen auch dann möglich, wenn das Kunstwerk von der Republik erworben wurde. Einzig muss der einst entrichtete Betrag nach heutigem Wert zurückbezahlt werden.

Dass dieses unikale "Meisterwerk des Jugendstils und des Symbolismus" (Hans Aurenhammer, 1969-82 Direktor des Belvederes) überhaupt noch existiert, ist weder historischen Kulturpolitikern noch Mitgliedern der Vereinigung bildender Künstler zu danken, sondern dem Kunstsammler Carl Reininghaus (1857-1929). Die für die XIV. Ausstellung (1902) in situ geschaffenen Wandgemälde sollten am Ende entsorgt werden: so geschehen etwa mit den Friesen von Ferdinand Andri und Josef Maria Auchentaller (rechter Seitensaal) sowie jenen von Alfred Roller und Adolf Böhm (Hauptsaal).

Jenen von Gustav Klimt aber erwarb Reininghaus, der auch Förderer der Secession war. 1915 verkaufte er den Fries an August und Szerena Lederer, damals Besitzer der größten Privatsammlung an Klimt-Werken. August Lederer verstarb 1936, seine Familie wurde in der NS-Zeit enteignet und die Sammlung sichergestellt.

1944 verbrachte man einen Teil der Kunstwerke nach Schloss Immendorf, wo zwölf Klimt-Gemälde aus der Sammlung Lederer verbrannt sein sollen. Nicht so der im Schloss Thürnthal eingelagerte Fries.

Im März 1943 war Szerena Lederer in Budapest verstorben, und ihr ältester Sohn Erich führte nach 1945 vom Genfer Exil aus die Verhandlungen um die Rückstellung der Sammlung der Eltern. Der Großteil wurde restituiert, zeitgleich presste man Lederer als Gegenleistung für eine Ausfuhrgenehmigung 1950 wertvolle Werke ab. Im Mai 1999 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Restitution der einst "als Schenkung gewidmeten" Kunstwerke.

1946-1972: Ausfuhrverbot

Lederers Anträge auf Ausfuhr für den Fries wurden dagegen kategorisch abgelehnt. Weder 1950 noch 1967 oder in den Jahren danach war die Verbringung in das Ausland für die österreichischen Behörden diskutabel. Lederer war zwar Eigentümer des "in Ausmaß bedeutendsten erhaltenen Denkmals" (Johannes Dobai, Gutachten 1965), konnte jedoch nicht darüber verfügen. Und exakt diese Ausfuhrsperre steht im Mittelpunkt des aktuellen Antrags auf Restitution, konkret, ob sie "im engen Zusammenhang" (Kunstrückgabegesetz §1 (1) 1) mit dem 1972 erfolgten Verkauf steht.

Ohne Zweifel, argumentieren Lederers Erben, deren Mehrheit sich auf ein Dossier der Provenienzforscherin Sophie Lillie beruft, die diese Kausalität in jahrelangen Recherchen nachwies. Keinesfalls, konterte die Secession (als Leihnehmer) in einer im November 2013 an die damalige Ministerin Claudia Schmied und den Rückgabebeirat übermittelten Stellungnahme.

Laut Begleitbrief handelt es sich um eine (innert vier Wochen) vom Zeithistoriker Oliver Rathkolb und Rechtsanwalt Christian Hauer ausgearbeiteten "Gegendarstellung" bzw. "Anregung, den Fries nicht zu restituieren". Denn, eine Rückstellung würde "echtes Unrecht verharmlosen und wirkliche Ansprüche entwerten".

Der Kampf um den Goldesel hatte begonnen. Schützenhilfe kam und kommt aus allen Ecken und Ritzen des Kunstbetriebes. Der Tenor: Die 15 Millionen Schilling seien ein angemessener Preis und Erich Lederer hochzufrieden, ja glücklich gewesen.

Rathkolb/Hauer verweisen etwa auf Korrespondenz mit dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky, der eine Lösung dieser Causa anstrebte. Am 16. Juni 1970 habe sich Lederer für dessen Einsatz bedankt, "als Gespräche über den eventuellen Erwerb des Frieses seit dem Jahre 1946 - das sind immerhin 24 Jahre - geführt werden". Drei Tage später hielt der 71-Jährige in einer Aktennotiz fest, "ich wäre sehr froh, wenn man mir endlich den nicht ausführbaren Fries abkaufen (...) und dieser ,makabre' Wettlauf um meinen Tod ein Ende finden würde". Bei aller Frustration war Lederer stets höflich geblieben, erklärt Sophie Lillie.

Gemütshaltung nicht relevant

Aus juristischer Sicht spielen weder die Angemessenheit des Kaufpreises noch die Gemütshaltung Involvierter eine Rolle. Ob Kunstwerke einst beschlagnahmt oder "nur" sichergestellt wurden, ist ebenso unerheblich, wie der Kunstrückgabebeirat bereits 1999 auch im Falle der Sammlung Lederer feststellte. Entzogen bleibt entzogen.

Relevant für die Causa Beethovenfries sei laut Juristen einzig das Ausfuhrverbot: Von einem solchen sei ab 1970 nie die Rede gewesen, behaupten Rathkolb/ Hauer. Dem widerspricht jedoch eine Beilage der gemeinsamen Gegendarstellung, konkret das Protokoll jener Ministerratssitzung (23. Mai 1972), in der die Republik den Ankauf beschloss: Der Fries, erklärte die damalige Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg, "kann wegen eines Ausfuhrverbotes seinem im Ausland lebenden Eigentümer nicht übermittelt werden".

Bundeskanzler Bruno Kreisky wiederum erläuterte, dass man vor der Frage gestanden war, "ob man die Ausfuhr erlauben soll, was zu einem großen Geschrei deshalb geführt hätte, dass man dieses Werk eines der größten österreichischen Künstler der Heimat entzieht oder aber, ob man es erwirbt."

Damit scheint der Zusammenhang zwischen dem Kauf und dem Ausfuhrverbot erwiesen. Im Vorfeld der für 6. März anberaumten Sitzung des Kunstrückgabeberats war lediglich in Erfahrung zu bringen, dass der Beethovenfries "aller Voraussicht nach auf der Tagesordnung" stünde und man zuversichtlich sei, eine abschließende Empfehlung abzugeben. Josef Ostermayer kann sich daran orientieren, aber er muss nicht. Auch das ist die Entscheidung, die der verantwortliche Kulturminister zu treffen haben wird. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, 21./22.2.2015)