Wien - ORF-Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser reagiert auf den Brief von Generaldirektor Alexander Wrabetz den um Ö1 besorgten Mitarbeitern, die im STANDARD ihre Bedenken gegen die Übersiedlung vom Funkhaus auf den Küniglberg formulierten.
Der Brief an Generaldirektor Alexander Wrabetz im Wortlaut:
Angesichts des "offenen Antwortbriefes" des Generaldirektors in Sachen Ö 1 und Funkhaus – an wen wurde der Brief eigentlich geschickt? – muss man es zwangsläufig mit dem römischen Dichter Juvenal halten: "Schwer ist es, darüber keine Satire zu schreiben."
Auf ein paar Punkte gilt es aber ernsthaft zu antworten:
Dankenswerterweise hat sich der Generaldirektor bislang nie oder kaum als Polemiker geriert, hier tut er es von den ersten Worten an mit "Glückliches Österreich…".
Wir diskutieren nicht
Tatsächlich könnte man andere Sorgen als Ö1 und das Funkhaus haben, auch andere als den ORF, wenn man sich die Welten- und Zeitläufte ansieht. Geschenkt.
Um fortzufahren im Text: Wir diskutieren nicht darüber, "ob und warum ein Radiosender von einem Wiener Bezirk in einen anderen zieht", wir warnen zu Recht vor der Beschädigung von Senderidentitäten und Mitarbeiterabbau durch eine solche Konzentrationslösung. Seit etlichen Monaten an etlichen Stellen mit etlichen Mitteln. Voraussehende Notwehr könnte man das nennen.
Die neuen Räumlichkeiten werden keineswegs besser
Nein, "die neuen Räumlichkeiten" werden keineswegs besser "auf die besonderen Erfordernisse der Ö1-Redaktionen ausgerichtet sein als bisher", wie Wrabetz allen Ernstes(?) meint. Was man nämlich bisher hört, ist das exakte Gegenteil davon. Sie können es auch gar nicht sein, weil der Platz dafür erwiesenermaßen nicht vorhanden ist. Nicht nur Ö1, alle Bereiche, die am "neuen Küniglberg" zusammengefasst werden sollen, werden darunter leiden, denn die Bürofläche wird beträchtlich kleiner sein als die bisher an mehreren Standorten zur Verfügung stehende.
Des weiteren wünsche ich es den KollegInnen vom Radiokulturhaus, dass sie und "die Argentinierstraße als Kulturstandort erhalten" bleiben sollen. Nur: Was soll das sein, ein Radiokulturhaus ohne Radio und welche Zukunft soll es haben? Nicht umsonst finden sich unter den Unterzeichnern des ersten offenen Briefs auch besorgte MitarbeiterInnen eben jenes Hauses.
Tief sitzende Angerührtheit des Generaldirektors
Ja, ich verstehe die tief sitzende Angerührtheit des Generaldirektors, dass er jetzt plötzlich als "Ö1-Gefährder" dasteht. Ich glaube sogar, dass ihm das persönlich fern liegt und auch nicht in den Sinn kommt. Das Problem ist nur: Hier ist nicht der eigene Wille entscheidend, hier ist ein faktischer Prozess mit absehbaren Ende im Gange. Ein Prozess, der noch umgedreht werden kann, wenn man selbst länger nachdächte und auf sein engeres Umfeld innerhalb wie außerhalb des ORF einwirkte.
Dass irgendjemand von den Unterzeichnern des ersten offenen Briefes "den Kopf in den Sand" stecken würde vor neuen technologischen Herausforderungen, das wiederum ist Polemik. Und die "mittelfristig" einzusparenden "10 Mio. Euro pro Jahr" sind hypothetische Annahmen, gedeckt allein durch massive Personaleinsparungen, die am Ende des Wrabetzschen Schreibens wieder ausgeschlossen werden. Woher also sollen sie dann kommen, die 10 Millionen?
In einem Punkt hat der GD recht
In einem Punkt hat der GD recht: Interne Streitigkeiten sollten wir auch intern bewältigen, gerade angesichts der Konkurrenz und der eben bekannt gewordenen Pläne für ein "kleines Rundfunkpaket" staatlicherseits. Nur: Wenn man 10.000-e Unterschriften auf Petitionen zum Erhalt des Funkhauses nicht ernst nimmt, wenn man großflächige Proteste nahezu aller prominenter Kulturschaffender dieses Landes ignoriert und wenn man auch die mehrfach geäußerten Bedenken von Belegschaftsvertretern und Redakteurssprechern beiseite wischt, braucht man sich über den öffentlichen Charakter der Auseinandersetzung nicht zu wundern.
Nicht gerade glaubwürdig klingt auch der Schluss des "offenen Antwortbriefs". Nachdem die längste Zeit an den MitarbeiterInnen und deren Bedürfnissen vorbei geplant worden ist, man "management by chaos" und Hektik betrieben hat (siehe "trimedialer newsroom"), werden jetzt plötzlich alle eingeladen und einbezogen.
Klar dass dafür, der gute alte Erich Fried herhalten muss mit seinem Diktum von der permanenten Veränderung, um nicht zu sagen Revolution. (red, derStandard.at, 20.2.2015)