STANDARD: Die SPÖ scheint im Streit um die Steuerreform nun einzulenken, sie will auf eine Substanzbesteuerung verzichten, besteht im Gegenzug aber auf einer Vermögenszuwachssteuer. Ist das ein Kompromiss, mit dem Sie leben können?
Mitterlehner: Die SPÖ ist jetzt auch drauf gekommen, dass eine Substanzbesteuerung keinen Sinn macht. Bürgermeister Häupl hat ja darauf verwiesen, dass sie seinerzeit zu Recht abgeschafft worden ist. Denn sie bringt mehr Probleme als Lösungen, zum Beispiel bei der Bemessung, der Kontrolle und der Liquidität. Viele Erben, darunter auch Betriebe, mussten früher Substanz verkaufen, um die Erbschaftssteuer zahlen zu können.
STANDARD: Da haben Sie die SPÖ offenbar missverstanden. Häupl hat die Schenkungs- und Erbschaftssteuer heute als Vermögenszuwachssteuer definiert - und auf die will die SPÖ weiterhin bestehen.
Mitterlehner: Offenbar gibt es in der SPÖ mehrere Meinungen. Wir werden das bei den Steuerreformverhandlungen besprechen. Klassische Vermögenssteuern lehnen wir weiterhin ab, weil wir das weiterhin für richtig halten. Eine Erbschaftssteuer ist eine Substanzsteuer, weil sie auf die Substanz zu entrichten ist.
STANDARD: Die SPÖ beharrt darauf, dass auch die Reichen einen Beitrag leisten müssen. Wie wird man das lösen?
Mitterlehner: Das ist eine gute Frage, weil ich auch den Eindruck habe, dass die Positionen sehr festgefahren sind. Man muss schauen, ob es noch andere Zwischenlösungen gibt, die beiden Seiten helfen, das Gesicht zu wahren. Das wird mit den Festlegungen, die ständig erfolgen, nicht einfacher. Begonnen hat mit dem Spiel ÖGB-Präsident Erich Foglar, der unbedingt die Reichen heranziehen wollte, die es in Österreich in der Konstellation, dass ich damit eine Steuerreform finanzieren kann, einfach nicht gibt. Da sind wir schnell beim Mittelstand. Eine solche Steuer wäre ja auch vom technischen Vorgang her schwierig, da müsste man alle Österreicher einer entsprechenden Überprüfung unterziehen, was sie überhaupt an Vermögen haben, um das abzuwickeln.
STANDARD: ÖGB und AK bleiben bei ihrer Forderung nach einer Reichensteuer.
Mitterlehner: Hier gibt es innerhalb der SPÖ unterschiedliche Positionen. Das kann nur die SPÖ selbst klären.
STANDARD: Sie meinen, es gibt zu wenig Reiche in Österreich, dass eine solche Besteuerung überhaupt einen Sinn machen würde?
Mitterlehner: Ich sehe ein inhaltliches und ein technisches Problem, vor allem bei Vermögen wie Grund und Boden. Bei Eigentumswohnungen oder Häusern bin ich rasch bei einem Verkehrswert von einer halben Million bis Million, damit erreiche ich den Mittelstand. Das Zweite ist die Vorgangsweise: Ich müsste jeden Österreicher eine Vermögenserklärung abgeben lassen. Wer prüft das nach und wie? Da bräuchte ich einen riesigen Kontrollapparat, das ist problematisch. Und das Aufkommen wäre wesentlich niedriger als angedacht. Wer wirklich ein Vermögen hat, wird es aus Österreich abziehen.
STANDARD: Haben Sie da entsprechende Informationen?
Mitterlehner: Ich habe schon mehrere Namen von Stiftungen, die das nicht nur androhen, sondern auch wirklich machen würden und damit Arbeitsplätze aus Österreich abziehen.
STANDARD: Haben Sie das schon mit der SPÖ besprochen? Sie treffen sich doch wöchentlich, um darüber zu verhandeln.
Mitterlehner: Wir werden mit Sicherheit darüber reden. Aber das ist erst der dritte Teil. Der erste Teil ist das Tarifsystem, wie verändern wir die Relation Brutto/ Netto. Zweiter Punkt: Was können wir bei der konventionellen Gegenfinanzierung tun, was wird wirtschaftlich wirksam, welche Kürzungsmöglichkeiten haben wir bei den Förderungen, wie können wir in der Verwaltung sparen, wie können wir die Steuereinhebung verbessern. Wenn wir diese Fragen geklärt haben, kommen wir zum noch offenen Punkt. Dann wird man sehen, wie groß die Lücke ist, dann muss man über Bedeckungsmaßnahmen reden. Denn in konjunkturell schwierigen Zeiten, die auch budgettechnisch ihren Niederschlag finden, kann ich nicht zusätzlich fünf oder sechs Milliarden verteilen.
STANDARD: Wie ernst ist die Situation bei den Verhandlungen?
Mitterlehner: Die Situation muss man nach dem 17. März bewerten. Wir sind mitten in Verhandlungen. Mein Appell geht an alle Beteiligten, auch an die Zuschauer, die Nerven im Zaum zu halten.
STANDARD: Gab es Ihnen gegenüber konkrete Drohungen mit Neuwahlen, falls Sie der SPÖ nicht entgegenkommen sollten?
Mitterlehner: Konkret ist mir nicht gedroht worden, es werden uns und der Gegenseite Spekulationen in diese Richtung unterstellt. Das ist Teil eines Nervenkriegs, um auf die Inhalte Druck zu machen. Das ist eine Begleiterscheinung bei jedem großen Vorhaben.
STANDARD: Wenn Sie bis 17. März kein Ergebnis zustande bringen, gibt es dann Neuwahlen?
Mitterlehner: Wenn wir kein Ergebnis haben, werden wir ein Problem haben, aber es ist nicht mein Kalkül, das anzustreben. Das ist ein gravierender Unterschied. Wir kalkulieren nicht taktisch, am 17. März kein Ergebnis zu haben, sondern wir wollen mit allem, was geht, ein Ergebnis sicherstellen. Wenn es uns nicht gelingt, ich kann es ja nicht tausendprozentig garantieren, dann wird man darüber reden müssen, dann wird man sehen, was weiter ist.
STANDARD: Die ÖVP steht ganz gut da, sie könnte sich Neuwahlen eher leisten als die SPÖ.
Mitterlehner: Wir werden diese Überlegungen erst anstellen. wenn sie wirklich notwendig sind. Alles andere würde bedeuten, jetzt schon mit Neuwahlen zu kalkulieren. Das tun wir nicht. Hätte ich dieses Kalkül, würde das eine ganz andere Verhandlungsposition notwendig machen, und das wollen wir nicht.
STANDARD: Wie schlecht oder wie gut ist das Koalitionsklima derzeit?
Mitterlehner: Jeder kann sehen, dass der Wählermarkt in Bewegung ist. Daher sehen die Parteisekretariate die Notwendigkeit verstärkter Aktivitäten, das geht auch bis zum Ministerratsfoyer, also ganz nach oben. Bei allen inhaltlichen Unterschieden müssen wir uns dennoch bemühen, das Niveau der Auseinandersetzung auf der Sachebene zu halten und nicht ständig in die Konfrontation zu gehen. Das gelingt auch einigermaßen. Im Endeffekt müssen wir bei der Steuerreform und anderen Themen beweisen, dass das Land trotzdem solide geführt wird.
STANDARD: Sie transportieren politische Inhalte vermehr über Twitter. Was kann dieses Medium und warum nutzen Sie es?
Mitterlehner: Mir ist aufgefallen, dass die Geschwindigkeit sehr hoch ist. Man setzt eine Info ab und bewirkt relativ viel. Auf der anderen Seite ist es ein sehr zugespitztes Medium, mit der Gefahr, dann überinterpretiert zu werden, weil man kurz und sehr pointiert mitteilen muss. Daran muss man sich gewöhnen.
STANDARD: Twittern Sie selbst?
Mitterlehner: Ja, ich twittere selbst.
STANDARD: Sie umgehen damit Ihre Pressesprecherin.
Mitterlehner: Es ist ausgemacht, dass wir uns abstimmen und dass meine Mitarbeiter auch wissen, was ich twittere. Allerdings war dies nicht in allen Fällen zeitlich möglich, das geb ich zu.
STANDARD: Kann man mit Twitter die Medien umgehen?
Mitterlehner: Im Gegenteil. Auf Twitter sind viele Journalisten dabei. Man kann direkt und schnell mit den Medien kommunizieren. Man erreicht viele Multiplikatoren. Die Verbreitungsgeschwindigkeit ist enorm, aber natürlich in der Kürze ist die Interpretationsfähigkeit relativ gefährlich.
STANDARD: Gibt es Inhalte, die sich gar nicht dafür eignen?
Mitterlehner: Kann ich nicht endgültig beurteilen, aber ich glaube schon, dass man aufpassen muss, dass man eine bestimmte Seriosität trotzdem an den Tag legt. Die teilweise vorhandene Anonymität veranlasst einen ziemlich zugespitzten, groben Umgang. Das stört mich manchmal, aber manchmal ist auch eine bestimmte Humorkomponente dabei. Das ist ja bei den Postings in Ihrem Medium auch so. (INTERVIEW: Michael Völker, DER STANDARD, 21.2.2015)