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Viktor Orbán muss um Zweidrittelmehrheit zittern.

EPA/Turczyk

Donnerstagabend im westungarischen 1800-Seelen-Dorf Csetény: Gut ein Dutzend Interessierter hat sich im barocken Holitscher-Schlössl eingefunden. Sie wollen Zoltán Kész sehen. Der 41-jährige Englischlehrer und Sportreporter tritt bei der Parlamentsnachwahl an diesem Sonntag im Wahlkreis Veszprém an. Er ist parteilos, aber die vereinigte Opposition von links bis rechts-liberal unterstützt seine Kandidatur.

Es ist keine normale Nachwahl: Denn gewinnt Kész, dann hat die Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) des Rechtspopulisten Viktor Orbán ihre vorteilhafte Zweidrittelmehrheit im Parlament verloren. Erforderlich wurde der Urnengang, weil der Fidesz-Abgeordnete Tibor Navracsics als EU-Kommissar nach Brüssel ging.

"Das Land weiterbringen"

"Schön, dass ihr gekommen seid", eröffnet Kész locker das Mini-Meeting. "Das Wichtigste ist, dass wir miteinander reden, auch wenn wir verschiedener Meinung sind. Nur so bringen wir das Land weiter." Nicht nur Sympathisanten der Opposition waren gekommen. Ein eigens angereister Reporter des Fidesz-freundlichen Internetportals Pesti Srácok (Budapester Jungs) konfrontiert Kész mit ehrenrührigen Anschuldigungen. Sie beziehen sich auf das Privatleben des Fidesz-Gegners, er hat deswegen geklagt.

Eine im Publikum sitzende ältere Fidesz-Anhängerin fragt Kész: "Wie willst du unabhängig bleiben, wenn du auf eine ganze Reihe von Oppositionsparteien angewiesen bist?" Unterstützt wird Kész von der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP), die zuletzt von 2002 bis 2010 regiert hatte, von der linksliberalen Bürgerpartei Gemeinsam 2014 und von der rechtsliberalen Bewegung für ein modernes Ungarn (Moma) des früheren Finanzministers Lajos Bokros. "Weißt du: Gerade die Diversität dieser Plattform garantiert, dass ich meine Unabhängigkeit bewahre", antwortet der Kandidat. Man duzt sich hier, man kennt sich.

"Pro-Westler"

Im Gespräch mit dem Standard bezeichnet sich Kész als "Anhänger der freien Marktwirtschaft" und - zwei Tage nach dem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Budapest - als "Pro-Westler".

Die Aussicht, Orbáns Zweidrittel-Macht brechen zu können, beflügelt die Gegner. "Wenn wir die Nachwahl gewinnen, hat das enorme symbolische Wirkung", sagt Kész. "Dann würde sich zeigen, dass Orbán trotz seiner Macht auf demokratischem Wege bezwungen werden kann."

(Gregor Mayer, DER STANDARD, 21.2.2015)