Als Infrastrukturbesitzer und größter Bahnbetreiber in Österreich gibt die ÖBB den Takt vor. Ihre Eigentümervertreter im Verkehrsministerium versorgt sie dabei tatkräftig - auch mit Aufträgen.

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Wien - Die Arbeiterkammer hat den Schuldigen bereits identifiziert. Es ist die Westbahn. Die im Eigentum von Haselsteiner-Familien-Privatstiftung (46,9 Prozent), Erhard Grossniggs Augusta Holding (25,1 Prozent) und der französischen Staatsbahn SNCF (28 Prozent) stehende Bahngesellschaft hatte die vom Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) geplante Direktvergabe von 700.000 Zugkilometern bei der ÖBB-Personenverkehr AG beim Verwaltungsgericht Wien beeinsprucht und gewonnen (der Standard berichtete exklusiv). Weil die Vergabemodalitäten ein Mindestmaß an Transparenz vermissen ließen, wie der Richtersenat wissen ließ.

Wiewohl die AK ebenfalls transparente und korrekte Direktvergaben fordert, geißelte sie am Freitag via Aussendung, dass aufgrund der Rechtsstreitigkeiten "die Chancen für ein breit aufgestelltes kostengünstiges Gesamtverkehrskonzept und einen Taktfahrplan schwinden." Schuld an der Verzögerung - bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 geht sich eine Neuvergabe schlicht nicht mehr aus - ist laut AK-Diktion nicht die laut Gericht intransparente "Ergänzungsbestellung" von Zugverkehren zwischen Wien und St. Pölten (400.000 Zugkilometer) und in der Ostregion (weitere 300.000 Zugkilometer) durch den VOR, sondern "juristische Spitzfindigkeiten". Und natürlich "die Westbahn, die ihre ökonomischen Interessen auf der Weststrecke verteidigt". VOR und Westbahn mögen bitte rasch einen Weg für Fahrplanverbesserungen finden.

"Im Interesse der Fahrgäste"

Auch die von den Ländern Wien und Niederösterreich dominierte VOR GmbH pocht "im Interesse der Fahrgäste" auf Erhaltung des in Österreich praktizierten, der EU-Verordnung EG 1370 aber nur leidlich entsprechenden Vergabewesens im Verkehrswesen und lehnt die von Einschreiter Westbahn geforderte Ausschreibung ab. VOR koordiniere und beauftrage den öffentlichen Personennah- und -regionalverkehr in der Ostregion ja nur, im Schienenverkehr finanziere man lediglich über das vom Verkehrsministerium finanzierte Grundangebot hinausgehende Leistungen.

Letzteres wurde bereits 2011 fixiert, in dem bis 2019 laufenden Verkehrsdienstevertrag mit der ÖBB-Personenverkehr AG über gemeinwirtschaftliche Leistungen im Gesamtvolumen von rund sechs Milliarden Euro.

Genau das ist der Kern des Problems, den auch das Verwaltungsgericht Wien im Verfahren Westbahn gegen VOR nicht lösen konnte. Denn von den zu vergebenen 700.000 Zugkilometern ist ein Teil pure Streckenverlängerung (zum Beispiel Ybbs-Pöchlarn), die sinnvollerweise vom bestehenden Betreiber erbracht werden sollten.

Völlig nebulos hingegen ist die vom VOR (erst aufgrund einer einstweiligen Verfügung gegen die Direktvergabe) am 16. Jänner dargelegte "Berichtigung", ÖBB-Schnellzüge (IC, Railjet) würden von Wien- Westbahnhof auf den Wiener Hauptbahnhof umgeleitet. Dies ermögliche ab Fahrplanwechsel im Dezember neue Verbindungen Wien-St. Pölten.

Warum die gewünschten Zusatzverkehre "im Interesse der Pendler" zu Linienbündel geschnürt wurden, die unter Verschluss sind und damit de facto nur von der ÖBB erbracht werden können (die ja seit Jahren am integrierten Taktfahrplan tüftelt) erschließt sich erst durch den Vorwurf, Westbahn wäre gar nicht in der Lage, das Gesamtpaket an Leistungen zu erbringen.

Fahren mit Ausgleich

Westbahn-Chef Erich Forster, bis 2012 im ÖBB-Fernverkehr, geht nun davon aus, dass die ÖBB eigenwirtschaftlich betriebene Fernzüge aus Salzburg und Linz vom Wiener West- auf den Hauptbahnhof umleiten will, und freie Trassen durch gemeinwirtschaftlich finanzierte Regionalschnellzüge (Rex200) aufstocken will, die mit Westbahn um die Wette fahren. Besteller VOR bestreitet dies, sagt aber nicht, was geplant ist.

So macht es auch die für die Vergabe neuer Zugtrassen zuständige, bei ÖBB-Eigner Verkehrsministerium angesiedelte Schieneninfrastrukturbehörde Schig. Sie gibt sogar den Takt vor, indem sie erst sieben Monate vor Fahrplanstart Zugslots fixiert, die der ÖBB-Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur bereitstellen muss.

Ob dieses Taktsystem und sein Preis (die Kosten machen weder Bund noch Länder transparent) im Interesse der (steuerzahlenden) Pendler ist, darf hinterfragt werden - wie der Westbahn-Vorschlag, die Schnellzügeumleitung vom West- auf den Hauptbahnhof auf 2017 zu verschieben. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 21.2.2015)