So gewiss wie auf desparate Housewives die Vorstadtweiber folgen mussten, war klar, dass Feuchtgebiete so etwas wie „Shades of Grey“ gebären würden. Und spätestens, wenn der Begriff sogar in die politische Rhetorik eines österreichischen Wirtschaftskämmerers einsickern kann, stand auch für „Profil“ fest, dass es sich dabei um
ein globales Phänomen handeln muss. Immerhin geht es um die weltbewegende Frage: Brauchen Frauen eine strenge Hand?

Wer dachte, die katholische Kirche und der göttliche Marquis hätten diese Frage längst befriedigend beantwortet, sah sich getäuscht. Von „Profil“ neuerlich serviert, war das Thema anderswo unter Aufbietung diverser Sexual-Expertinnen publizistisch schon reichlich ausgelutscht, ohne dass Klarheit darüber hergestellt werden konnte, ob von der Gedankenwelt des globalen Phänomens auch nur annähernd so viel Erregung ausgeht wie von der Berichterstattung darüber.
So sagte die „tv-media“-Leserin Nicole N., ihr habe der Film „sehr gut gefallen, ich liebe solche Schnulzen. Die erotischen Details aus dem Buch wurden allerdings fast komplett weggelassen, da hätte ich mir schon mehr gewünscht.“ Wozu geht frau ins Kino?

Umgekehrt das Urteil in „Format“, wo es hieß: Dennoch ist „Fifty Shades of Grey“ allemal besser anzusehen als zu lesen. Vielleicht liegt es auch daran, dass Sam Taylor-Johnson ihrer Protagonistin etwas mehr Souveränität und Widerspruch gönnt als die Vorlage. Auch wenn Lust wohl einen ganz anderen Gesichtsausdruck hat, als hier vermittelt wird.

Vor die Entscheidung gestellt, ob man auf der Suche nach dem Gesichtsausdruck der Lust nun eher das Buch lesen oder den Film sehen sollte, fällt die Wahl nicht schwer, es reicht, sich den Empfehlungen der Experten hinzugeben. Brigitte Bösenkopf, Psychologin und Sexual-Expertin auf www.love.at, empfahl in „Österreich“, wichtig ist aber: Wenn ein Paar den Film ansieht, dann sollte danach darüber gesprochen werden. Zumindest über Drehbuch und Regie.

Mit einem pädagogischen Ansatz wartete die Vizedirektorin der Freud-Uni Wien in „News“ auf. In Wirklichkeit handle es sich gar nicht um Unterwerfung, sondern um eine klassische weibliche Machtfantasie: sich durch Aufopferung den Mann zum Glücksspender zu formen. Ein schönes Ziel, für das sich so mancher Peitschenhieb freudig ertragen ließe. Nur selten erreicht.

Ein Anliegen von „Profil“ ist
es, Feministinnen zu beruhigen. Feministinnen geben sich angesichts des popkulturellen Flächenbrands von „Fifty Shades of Grey“ entsetzt, haben dazu aber nicht den geringsten Grund. Im Gegenteil. Womit wir beim großen Missverständnis der feministischen Empörung angekommen wären: Wahre Masochistinnen sehen sich nicht
als Opfer, sondern als Regisseurinnen ihrer Neigungen; sie bestimmen indirekt den Verlauf der Spiele, in denen sie ihre Fantasien von Ohnmacht, Unterwerfung und dem Wunsch, begehrt zu werden, ausleben.
Ob es „Profil“ gelungen ist, wahre Feministinnen von dieser Regieführung zu überzeugen, war dem Blatt nicht zu ent nehmen.

Dabei hat das Magazin die Wissenschaft auf seiner Seite. Auch die evolutionäre Psychologie schert sich wenig um Moral und Fragen der politischen Korrektheit. Strache muss diese Disziplin lieben. Die Frau, so der Forschungskonsens in dieser Sparte, trage den Drang zur Unterwerfung in ihrem evolutionären Programm. Dafür kann es keinen besseren Beweis geben als einen, der sich dem Tierreich entnehmen lässt. Im Tierreich gehe der Balzakt häufig mit Schmerzen und Gewalt einher: „Der Kater beißt die Katze in
den Nacken“,
so der Salzburger Psychiater und Humanethologe Gerhard Medicus.

Unbeantwortet bleibt damit die Frage, warum sich Mann den Strapazen des Auspeitschens unterziehen soll, wenn der Drang zur Unterwerfung ohnehin im evolutionären Programm der Frau vorgegeben ist. Muss er der Evolution doch auf die Sprünge helfen? Soll er dabei die Kassen der Filmindustrie füllen, ist es in jedem Fall zweckmäßig, wenn es sich bei ihm um einen Milliardär mit Villa und Luxuspeitschen handelt. Als Frührenter auf Zimmer, Küche, Kabinett mit einem Kochlöffel bewehrt, könnte er wenig für die Evolution tun. (Günter Traxler, DER STANDARD, 21./22.2.2015)