Bild nicht mehr verfügbar.

Griechischer Humor: Alexis Tsipras mit Euro-Münze als Karnivalsfigur

Foto: AP/Petros Giannakouris

Athen/Berlin - Nach der Einigung der Euro-Länder mit Griechenland im Schuldenstreit streiten die Beteiligten über die Deutungshoheit. Ministerpräsident Alexis Tsipras sprach am Samstag von einem entscheidenden Schritt weg von der Spar- und Rettungspolitik, die mit der internationalen Gläubiger-Troika vereinbart worden war. "Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg", sagte Tsipras in einer Fernsehansprache.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Kollegen aus anderen Euro-Ländern hatten dagegen immer wieder auf die Einhaltung der Spar- und Reformzusagen des jetzigen Hilfsprogramms gepocht, das nun verlängert werden soll. Auch sie äußerten sich mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. Deutsche Koalitionspolitiker warnten, ohne Gegenleistungen Griechenlands könne es kein Hilfsgelder geben.

Die Eurogruppe hatte sich am Freitagabend mit ihrem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis auf die Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms um vier Monate bis Ende Juni geeinigt. Als Gegenleistung für die Auszahlung weiterer Milliarden muss sich Griechenland im Grundsatz an zugesagte Auflagen halten, wobei es aber auch Flexibilität geben soll. Eine erste Liste konkreter Reformschritte muss danach die griechische Regierung bis Montagabend vorlegen. Diese soll von der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank geprüft werden, ehe die Euro-Finanzminister grünes Licht geben. Allerdings müssen auch noch eine Reihe nationaler Parlamente wie in Deutschland zustimmen.

"Schwierigkeiten liegen noch vor uns"

Tsipras, der mit seiner linksen-Partei das gesamte Rettungskonzept aushebeln und aus dem Hilfsprogramm aussteigen wollte, versuchte, sich als wahrer Sieger darzustellen. Die bisherigen Sparauflagen für sein Land seien vom Tisch. "Gestern haben wir einen entscheidenden Schritt gemacht. Wir lassen die Sparmaßnahmen, das Rettungsprogramm und die Troika hinter uns." Allerdings räumte er auch ein: "Die Schwierigkeiten, die wahren Schwierigkeiten ... liegen noch vor uns." Sein Sprecher Gabriel Sakellardidis sagte: "Wir haben Zeit gewonnen." Der griechischen Wirtschaft und der Regierung sei die Luft nicht abgeschnürt worden, wie es Kräfte im In- und Ausland offenbar gewollt hätten.

Die Regierung erhofft sich durch die Einigung zudem, dass die Ängste in der Bevölkerung vor einem Austritt des Landes aus der Euro-Zone schwinden. Wegen dieser Befürchtungen sind seit Dezember rund 20 Milliarden Euro von den Konten griechischer Banken abgezogen hatten.

Schäuble äußerte sich nach der Verständigung in der Eurogruppe zufrieden: "Ich kann die heutige Entscheidung gut verantworten." Die griechische Regierung werde es schwer haben, die Einigung ihren Wählern zu erklären. Sein irischer Kollege Michael Noonan sagte, Griechenland seien kaum Zugeständnisse gemacht worden. Die EZB signalisierte ihre Bereitschaft, griechische Anleihen wieder als Sicherheit zu akzeptieren.

Griechenland sagte in der gemeinsamen Abschlusserklärung zu, keine vereinbarten Reformen zurückzunehmen und die Forderungen aller Gläubiger zu erfüllen. Der Haushaltsüberschuss (ohne Zinsen) soll "angemessen" sein. Bisher hatten die Euro-Länder drei Prozent Überschuss in diesem Jahr gefordert. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte, Ziel der Verlängerung ist der erfolgreiche Abschluss des Rettungsprogramms.

Liste mit Reformmaßnahmen bis Sonntag

Die griechische Regierung könnte bereits einen Tag früher als geplant die geforderte Liste mit Reformzusagen vorlegen. Das Dokument werde am Sonntag fertigstellt, sagte Finanzminister Giannis Varoufakis nach einer Kabinettssitzung am Samstag in Athen. Er sei sich "vollkommen sicher", dass die Liste auf Zustimmung treffen werde.

Gemäß der Abschlusserklärung muss Griechenland im Gegenzug für neue Finanzhilfen "auf Basis des bisherigen Programms" bis Montag "eine Liste mit Reformmaßnahmen" vorlegen. Diese sollen von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds vorläufig geprüft werden.

Parlamentszustimmungen teilweise notwendig

Stimmen die drei Institutionen, die bisher als Troika bekannt waren, ebenso wie die Euro-Finanzminister nach einer Telefonkonferenz am Dienstag zu, sollen in den Ländern - sofern notwendig - die Parlamente abstimmen, um die Hilfsvereinbarung rechtzeitig vor Ende Februar zu verlängern. Parlamentszustimmungen sind etwa in Deutschland und Finnland nötig. Endgültig festgeklopft werden sollen die Reformen dann bis Ende April.

Entgegen dem bisherigen Willen der Regierung in Athen muss das laufende Hilfsprogramm erfolgreich abgeschlossen werden, damit Griechenland die ausstehende Tranche von 1,8 Milliarden Euro sowie zugesagte Zinsgewinne der EZB mit griechischen Anleihen von 1,9 Milliarden Euro bekommen kann. Während der viermonatigen Verlängerung soll über eine Folgevereinbarung mit der Eurogruppe und den Institutionen verhandelt werden.

Kritik von griechischer Opposition

Der Analyst Daniel Gros sagte hingegen der italienischen Tageszeitung "La Stampa", aus politischer Sicht hätten die Griechen "in allen Punkten nachgegeben". "Sie können nicht darauf hoffen, irgendetwas zu erhalten, nur noch zu geben", sagte Gros.

Auch in der griechischen Opposition stieß die Vereinbarung auf scharfe Kritik. Die Sozialisten warfen der Regierung vor, das Land "kilometerweit zurück" zu führen und "Theater für das einheimische Publikum" zu spielen. Die Kommunisten erklärten, "unabhängig davon, wie man es nennt, ist das Abkommen im Grunde die formelle Verlängerung des Hilfsprogramms unter strikter Überwachung" sowie "im Wesentlichen die Fortsetzung der antipopulären Reformen". (APA/Reuters/red, derStandard.at, 21./22.2.2015)