Salzburg – Wer im Saal 228 des Landesgerichtes Salzburg auf dem Angeklagtensessel Platz nimmt, dem blickt vom Pult des Richters ein "Fischauge" entgegen. Es handelt sich dabei nicht um eine Videoüberwachungskamera, sondern um eine audiovisuelle Vollaufzeichnung, die bei einem Prozess die Schreibkraft ersetzen kann. Seit langem schon stöhnen die Gerichte unter einer Personalknappheit bei Schriftführern.
Weitwinkel und Mikro
Das "Fischauge" am Richtertisch ist in eine Mikrofonanlage mit angeschlossenem Laptop eingebaut. Die Weitwinkelkamera liefert Bilder vom Gerichtssaal, und zwar vom Blickwinkel des Verhandlungsvorsitzenden aus. Im Fokus steht der Angeklagte oder Zeuge, der dem Richter gegenübersitzt. Welche Vorteile erwartet sich die Justiz daraus? "Es kann auch dann verhandelt werden, wenn gerade kein Schriftführer zur Verfügung steht", erläuterte Landesgerichtspräsident Hans Rathgeb im APA-Gespräch.
Handelt es sich um kleinere Prozesse ohne Geschworenen oder Schöffen, muss der Richter die Angaben der Befragten nicht mehr selbst in ein Diktiergerät sprechen. Er kann während der digitalen Aufnahme mit einer Funktionstaste den Angeklagten und Zeugen markieren und sich nach dem Prozess die Aussagen samt der Mimik und Gestik nochmals ansehen. "Das ist auch ein Vorteil beim Verfassen eines Urteils", sagte Rathgeb. "Man kann im Nachhinein alles gut nachvollziehen." Geht das jeweilige Verfahren in die nächste Instanz, können die Aufzeichnungen abermals abgerufen werden. "Möglicherweise erspart man sich dann eine Verfahrenswiederholung."
Protokoll nicht immer notwendig
Wird das Urteil rechtskräftig, sei auch kein Protokoll mehr notwendig – das würde die Schreibkräfte ebenfalls entlasten, meinte der Gerichtspräsident. Wird allerdings ein Protokoll von den Prozessbeteiligten beantragt, müsse die Aufzeichnung verschriftlicht werden. Das gelte auch im Falle eines Rechtsmittels.
Vor einer Woche nahm das Landesgericht Salzburg dieses Hightechgerät erstmals in den Probetrieb. Zur Sicherheit wurde der Verhandlung noch eine Schriftführerin beigesetzt, die mitschrieb. Wenn sich herausstellt, dass die neue Technik einwandfrei funktioniert, wird die Schreibkraft bei Prozessen mit audiovisueller Aufzeichnung nicht mehr beigezogen.
Das Landesgericht Salzburg hat bereits eine zweite mobile, audiovisuelle Anlage von der Justizverwaltung angefordert. Mobil muss sie deshalb sein, weil im Sommer wegen der Generalsanierung des Justizgebäudes die Beamtenschaft für rund drei Jahre in ein Ausweichquartier übersiedelt. Vor einigen Jahren habe man am Landesgericht Korneuburg in Niederösterreich mit der audiovisuellen Vollaufzeichnung begonnen, sagte Rathgeb. "Das findet immer mehr Verbreitung, hauptsächlich an den Landesgerichten." (APA, 22.2.2015)