Budapest – Die ungarische Regierungspartei Fidesz-MPSZ des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban hat ihre Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verloren. Dafür sorgte am Sonntag der Sieg der sozialliberalen Opposition bei der Nachwahl für einen vakant gewordenen Parlamentssitz in der westungarischen Stadt Veszprem.

Der 41-jährige parteilose Kandidat der Opposition, Zoltan Kesz, kam nach Auszählung von mehr als 92 Prozent der Stimmen auf 43,14 Prozent. Lajos Nemedi, Kandidat der Regierungspartei und Vizebürgermeister der Stadt, musste sich mit 33,4 Prozent geschlagen geben.

Zweidrittelmehrheit weg

Von großer Bedeutung war der Sieg der linksliberalen Opposition in der bisherigen Fidesz-Hochburg aber vor allem, weil dadurch die knappe Zweidrittelmehrheit der Partei von Premier Orban gekippt ist. Mit der "Supermehrheit" konnte Orban Gesetze im Verfassungsrang beschließen. Die Nachwahl war nötig geworden, nachdem der Fidesz-Abgeordnete des Wahlkreises, Tibor Navracsics, als EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend nach Brüssel wechselte.

Als "Bombenüberraschung" bezeichneten ungarische Medien am Sonntagabend den Wahlausgang in der westungarischen Stadt Veszprem. Der Wahlsieger Zoltan Kesz bedankte sich im Fernsehen bei allen Parteien, Zivilorganisationen und den Bürgern, die ihm ihr Vertrauen entgegengebracht und ihm so zum Wahlsieg verholfen hätten.

Laut Hvg.hu hat der unterlegene Kandidat der Regierungspartei, Lajos Nemedi, dem Wahlsieger bereits gratuliert. Premier Orban hatte im Vorfeld der Wahl die Bedeutung des Erhalts der Zweidrittelmehrheit seiner Partei im Parlament heruntergespielt. Es sei bereits alles Notwendige realisiert worden, erklärte er.

Umstrittene Reformen

Tatsächlich hat Orban in den vergangenen Jahren mithilfe der Zweidrittelmehrheit dem Land eine neue und äußerst umstrittene Verfassung verpasst. Nun wird es für den rechtskonservativen Premier ohne sogenannte "Super-Mehrheit" schwierig, sollte er erneut das Grundgesetz modifizieren wollen. Die Bedeutung der Wahl in Veszprem für Orban zeigte sich Beobachtern zufolge auch daran, dass vergangene Woche mittels Regierungsbeschluss der westungarischen Stadt der Bau eines Schwimmkomplexes im Wert von vier Milliarden Forint (rund 13 Mio. Euro) versprochen wurde.

Orban verfügte seit seiner Wahl 2010 über eine Zweidrittelmehrheit. Seit der Wahl im Vorjahr hing die Mehrheit seiner Fidesz-Mehrheit nur mehr an einem Mandat, das nun in der Nachwahl verloren gegangen ist.

Der nächste Wahlkrimi steht Ungarn bereits in wenigen Wochen bevor, wenn im Nachbarwahlkreis Tapolca ebenfalls eine Nachwahl stattfindet, die nach dem Tod eines Fidesz-Abgeordneten nötig geworden war. Hier droht der Orban-Regierung die nächste Niederlage, die Regierungspartei könnte theoretisch aber auch ihre Zweidrittelmehrheit zurückerlangen. (APA, 22.2.2015)