Katalonien ist zwar schön und gut, bei einem längeren Spanienaufenthalt darf man an San Sebastian oder Donosti nicht vorbei. Meine Freunde und ich haben nach unserem ersten Besuch diesen Ausflug zu einem jährlichen Jour fixe erklärt. Von Barcelona aus sind es fünfeinhalb Stunden die Pyrenäen entlang durch eine kleine Wüste vom Mittelmeer an die Atlantikküste.

Schlemmen im Norden

Nach unserer Ankunft sind wir schnell in unser AirBnB-Quartier gegangen, haben das Gepäck abgestellt und sind hungrig in das Stadtzentrum gezogen. Wir haben die Woche zuvor gefastet, um hier schlemmen zu können. Denn San Sebastian ist voll von kleinen, rustikalen Tapasbars. Deren Theken sind schwer beladen mit verschiedenen Pinchos. Das sind kleine Brötchen mit Sardinen und feingehacktem Gemüse, Schafskäse mit Paradeis-Marmelade oder gar in Rosenwasser gedünstetem Kabeljau. Ein Blick in eine solche Bar lässt einem das Wasser im Munde zusammenfließen.

Pinchos in der Tapasbar.
Foto: Johanna Hofbauer

La Concha rauf und runter spazieren

Am Nachmittag haben wir einen ausgiebigen Verdauungsspaziergang gemacht – gegen das schlechte Gewissen. San Sebastian liegt direkt an der Küste und man kann eine Stunde lang gemütlich die Bucht namens La Concha hinauf und hinunter gehen. Ausgerüstet mit Winterjacken gegen den scharfen Atlantikwind sind wir also brav bis zum Ende des Strandes gegangen – bis hin zu den Peines de Viento. Als es dann doch langsam frisch unter der Daunenjacke wurde und auch die Liebe nicht mehr ausreichend für Wärme sorgte, haben wir den Rückweg angetreten.

Die Peines de Viento sind Stahlskulpturen am Ende der Bucht La Concha.
Foto: Johanna Hofbauer

San Sebastian erinnert an Wien

San Sebastian hat ein charmantes Zentrum mit engen Gassen, das mich ein bisschen an die Wiener Innenstadt erinnert. Statt Krügerl gibt es hier eben Txakoli oder Cider, statt einem großen Schnitzel viele kleine Köstlichkeiten.

Drei Gänge in der Sagardotegi

Am Samstagmorgen haben wir richtig ausgeschlafen, um zur Mittagsstunde fit zu sein. Denn wir hatten außerhalb von San Sebastian einen Tisch in einer Sagardotegi, übersetzt Haus des Cider, reserviert. Jeder, der schon mal im Baskenland war und keine Sagardotegi besucht hat, wird sich jetzt ärgern. Als Erstes gelangten wir in einen riesigen Saal mit einigen Tausend-Liter-Fässern Cider zur Selbstbedienung. In der Cidreria Oialume Zar gab es insgesamt neun Cider-Fässer. Mit genug Platz um die Fässer herum stellten die Wirte möglichst viele Tische für ihre Gäste auf, und dann ging es los.

Erster Gang: Tortilla mit Kabeljau. Zweiter Gang: Kabeljau mit Fisolen. Dritter Gang – der, auf den wir ein Jahr lang gewartet hatten – Steak. Dick, saftig und schön blutig. Es war wunderschön, und wir haben zu siebent vier davon verdrückt. Man muss erwähnen, dass ein Teller immer für den gesamten Tisch ist, aber man kann so viel nachbestellen, wie das Schlemmerherz begehrt.

Steaks in der Sagardotegi.
Foto: Johanna Hofbauer

Cider zapfen mit einem "Txooootx!"

Zwischen den Speisen standen wir immer wieder auf und gingen zu den Fässern. Mit einem schallenden "Txooootx!" kündigt man an, dass man gleich Cider zapft. Sogleich stellten sich die Durstigen an und füllten ihre Gläser. Als diejenige, die am Zapfhahn stand, kam ich als Letzte dran und drehte anschließend den Hahn wieder zu. So kommt man schnell mit allen möglichen Leuten ins Gespräch.

"Osterreik, Osterreik"

Irgendwann im Laufe des jungen Nachmittags trafen wir ein paar Basken vom letzten Jahr: "Dich kenne ich doch! Du bist La Austriaca mit den Katalanen!", riefen sie aufgeregt auf Spanisch. Unter diesem geheimnisvollen Pseudonym wurde ich dann weiteren Fans vorgestellt. Klar, wenn jetzt ein Spanier ins Waldviertel kommt, ist der auch gleich bekannt. Aber diese kurze Berühmtheit fühlt sich ganz nett an. Allmählich kamen mehr und mehr traditionsbewusste Basken heran und begrüßten mich und meine katalanischen Freunde. Und weil die Basken so traditionsbewusst sind, spielt natürlich gleich die Musik mit typisch baskischen Instrumenten auf. Wenn das passiert, hat man keine Wahl: Vom Cider emotionalisierte Einheimische brachten uns den Fandango bei. Nach einigen tänzerischen Fehlversuchen, die ich dem vollen Magen und dem Cider zuschreibe, durfte ich auf der Chistu, einer Art Flöte, musizieren. Als auch das nicht in Ruhm und Gloria mündete, schien das niemanden zu stören. Ein Cider-Enthusiast rief immer wieder "Osterreik, Osterreik" und warb um meine Gunst, während sein katalanischer Besuch mit meinem Freund vage, aber erfolglose Flirtversuche aufnahm.

Auf den Zuruf "Txooootx!" folgt eine Runde Cider.
Foto: Johanna Hofbauer

Irgendwann nahm auch dieser Spaß sein Ende, und die Wirte schickten uns in eine Art Reservebar. Hier tranken wir noch einen Kaffee und einen leichten Aperitif und machten uns langsam wieder zurück auf den Weg nach San Sebastian.

Auf der Jagd nach Pinchos

Zurück in der Pinchos-Hauptstadt war es schon wieder acht Uhr, und unsere Mägen begannen zu grummeln. Also streiften wir wieder wie Katzen auf der Jagd durch das feuchte Gassenlabyrinth von Donosti auf der Suche nach den besten Pinchos. Schlieβlich war es unser letzter Abend. Durch das viele Essen und Trinken dauerte die Nacht allerdings nicht mehr sehr lange, und um zwölf Uhr lagen wir alle schlummernd in unseren Betten.

Im eiskalten Wasser

Während unsere Freunde noch schnarchten, stahlen Raúl und ich uns am Sonntagmorgen aus dem Haus. Ein letzter Spaziergang durch das Zentrum, ein Blick auf den Atlantik: Dieser zeigte uns verrückte Februar-Schwimmer und Surfer in – grob geschätzt – eiskaltem Wasser. Müde und verschlafen taumelten wir weiter durch die Gassen, verdrückten zur Sicherheit noch einige Pinchos und tranken süßen Apfelmost zum Abschied. Wer jetzt sagt, Februar sei für eine Reise nach San Sebastian zu kalt, der soll einfach Ende März kommen. Einen Besuch in einer Sagardotegi darf man sich nicht entgehen lassen. (Johanna Hofbauer, derStandard.at, 24.2.2015)