St. Pölten - Die Geschichte Europas ist eine Geschichte vieler Kriege. Seine Zukunft in Frieden zu halten, gehört zu den wichtigsten politischen Aufgaben der Gegenwart. Europa ist aber auch ein Produkt des Zusammenwachsens, der Verständigung, des Austausches. Dafür ist Front ein gutes Beispiel, das zweimal am Landestheater Niederösterreich zu Gast war.

Vier Sprachen und Nationen vertreten in der Koproduktion des Thalia Theaters Hamburg mit dem Stadttheater Gent ein polyphones Europa, das in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs liegt und keinen Begriff davon hat, was aus diesem Kontinent werden sollte. Der flämische Regisseur Luk Perceval erteilt in seiner Textcollage (u.a. Erich M. Remarques Im Westen nichts Neues, Henri Barbusses Le Feu) den einfachen Soldaten das Wort. Ihre Dialekte und der Sprachduktus von Franzosen, Engländern, Deutschen und Belgiern machen Individuen erkennbar.

Das neutrale Belgien wurde durch das Vorhaben der Deutschen, Paris einzunehmen, unfreiwillig zum Kriegsterritorium. Eine unvorbereitete Armee musste den Angreifern die Stirn bieten, darunter junge Bauernburschen wie der 18-jährige Flame Emiel Seghers, dessen Geschichte in Front auch erzählt wird.

Den Oberflächen einer metallischen Stuckdecke (Bühne: Annette Kurz) gewinnt Musiker Ferdinand Försch durch Schlagen, Scharren und dergleichen eine abstrahierte Vorstellung vom Kriegsgetöse ab. Es entsteht so ein in seiner Machart faszinierendes, jede Sekunde aufrichtiges Sprechkonzert, das jenseits aller Heldenbegriffe vom gemeinsamen Menschsein erzählt. (DER STANDARD, 24.2.2015)