Nach Gerhard Oberkoflers Text mit dem Anspruch, eine Kritik an Syriza von links zu formulieren ("Die neue EU-Linke ist eine Chimäre der Hoffnung", der Standard vom 13. 2. 2015) , scheinen einige Korrekturen angebracht.

Europaweite Solidarität

Syriza ist angetreten, um nicht nur Griechenland zu verändern, sondern ganz Europa. Die Haltung der linken Sammelpartei, deren Vorsitzender Alexis Tsipras auch Vizepräsident der Europäischen Linkspartei ist, ist EU-kritisch, aber gleichzeitig pro-europäisch und anti-nationalistisch. Die griechische Regierung stützt sich in ihrer Verhandlungsstrategie mit den in der Europäischen Union tonangebenden Konservativen auch auf die Solidarität von Gewerkschaften und der politischen Linken. Zu wenig wurden die gegenüber der neuen Regierung Griechenlands positiven Deklarationen unter anderem des europäischen, des deutschen und auch des österreichischen Gewerkschaftsbundes wahrgenommen. In mehr als 50 europäischen Städten haben zuletzt zehntausende Menschen ihre Unterstützung für die Tsipras-Regierung bekundet.

Es stimmt, was Oberkofler andeutet: In der Organisierung und Koordinierung dieser Solidaritätsbewegung versucht das Netzwerk "Transform! Europe", das auch der Thinktank der Partei der Europäischen Linken ist, mitzuhelfen. Realpolitisch kann Syriza nur so links sein, wie die europäischen Verbündeten den Spielraum ausweiten.

Die neue Regierung will sich europaweit und in Griechenland auf diejenigen Menschen stützen, die Opfer der Austeritätspolitik geworden sind. Die Entfernung des Sperrgitters vor dem Parlament auf dem Syntagmaplatz hatte daher nicht nur symbolische, sondern auch politische Bedeutung. Die Bürgerinnen und Bürger finden sich wieder auf den griechischen Plätzen ein. Am 5. Februar wurde Europa Zeugin des bemerkenswerten Umstandes, dass erstmals seit vielen Jahren Bürger und Bürgerinnen nicht gegen, sondern für ihre Regierung demonstrierten. Die in der Krise selbstorganisierten demokratischen Solidaritätsstrukturen sind Alternativen im Kleinen, sie arbeiten weiter, und an ihnen liegt es auch, den Aufschwung im Land zu tragen.

Dass Syriza aus Ermangelung der absoluten Mehrheit im griechischen Parlament mit Anel, der Partei der euroskeptischen "unabhängigen Griechen", koaliert, hat für Irritation gesorgt. Es ist ein strategisches Bündnis. Die rechtskonservativen Parteikollegen der britischen Tories (sie sind in der Europaparlamentsfraktion der "Europäischen Konservativen und Reformisten") sind die einzige andere Partei im griechischen Parlament, die gegen die Memoranden der Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission des Sparens und Kürzens ist. Diese Memoranden haben Griechenland nicht aus der Finanz- und Schuldenkrise herausgeholt und in eine humanitäre Krise hineingebracht. Das Ende dieser Memoranden ist das primäre Ziel Syrizas. Der erwünschte Koalitionspartner, die kommunistische KKE, hat Syriza und ihren "Reformismus" zum Hauptfeind erklärt und wollte nicht einmal Koalitionsgespräche führen.

Troika gescheitert

Die Troika ist auch laut konservativen Ökonomen gescheitert. Merkel und ihre Parteikollegen in der ganzen EU weichen jedoch trotzdem nicht ab davon. Diese Sturheit hat ihren Grund. Würde in Griechenland mit dem zerstörerischen Diktat von Kürzen und Sparen gebrochen, so werden sich auch die Menschen in den übrigen Troika-regierten und auch anderen EU- Staaten das nicht mehr gefallen lassen.

"Angst hat die Seiten gewechselt", war das Motto einer großen Demonstration am 31. Jänner in Madrid. Initiiert wurde sie von Podemos, einer ein Jahr alten Partei, die aus den Bewegungen der besetzten Plätze entstanden ist. In Spanien wird im Herbst gewählt, Podemos liegt in den Umfragen gleichauf mit der konservativen Regierungspartei. In Irland verhält es sich mit Sinn Fein, deren Vorsitzender, wie der von Podemos, zum Wahlkampfabschluss in Athen war, genauso.

Nicht Deutschland oder Europa, sondern der die EU-Politik der vergangenen Jahre dominierende Neoliberalismus werden als Gegner anvisiert. Diese Solidaritätsbewegung steht für ein Europa der Menschen und der Demokratie. Seit dem Beginn der globalisierungskritischen Bewegung und des Europäischen Sozialforums ist wieder eine europaweite Bewegung im Entstehen. Hier treffen nun NGOs, neue basisdemokratische Bewegungen, Gewerkschaften, die Schwesterparteien der radikalen Linken, linke Sozialdemokraten und Grüne plötzlich aufeinander.

Eigene Rechte

Solidarität ist nicht mitmenschliches Mitgefühl und auch nicht kritiklose Affirmation, Solidarität ist ein Mittel zur Erlangung und Verteidigung der eigenen Rechte. Das Signal, das die griechische Regierung den Frauen sandte, ist nicht gut. Dass sich unter den zehn Ministern der neuen Regierung keine einzige Frau befindet, ist ein Beleg dafür, wie zählebig die patriarchalen Strukturen sind, die auch in der Linken noch vorherrschen, und zeigt, wie viel hier noch passieren muss. Die Frauen in der zweiten Reihe stehen zu lassen nimmt jeder Bewegung, jeder Regierung viel von ihrem Potenzial.

Würde wiedergeben

Die griechische Linke ist angetreten, der Bevölkerung die Würde wiederzugeben, das Leben erträglicher zu machen, Demokratie und Gleichheit vor dem Gesetz einzuführen, Steuergerechtigkeit und Arbeit zu schaffen. Nicht die Regierung allein wird irgendwas ausrichten können, nur gemeinsam mit der Bevölkerung und gemeinsam mit einer europäischen Bewegung.

Es gibt Alternativen

Der Spruch "There is no alternative" ist seit Margaret Thatcher, britische Premierministerin der 1980er-Jahre und Erfinderin des Neoliberalismus, seit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem britischen Premier Tony Blair, den Wegbereitern desselben auch in der Sozialdemokratie, zum Dogma geworden. Er ist nun nicht mehr universell gültig. Griechenland und andere Länder sowie eine europaweit sich entfaltende Sozialbewegung könnten diesen Beweis antreten. (Barbara Steiner, DER STANDARD, 24.2.2015)