"Schaut auf die Nachbarn! Die gehen vorwärts. Auch Bosnien-Herzegowina muss vorwärts gehen", sagte Federica Mogherini am Montag bei ihrem zweiten Besuch als EU-Außenbeauftragte in Sarajevo. Sie sprach von einem "Historischen Tag" für den Weg in die EU und davon, dass "die Teilung des Kontinents beendet" werde. Sie plädierte dafür, dass das EU-Abkommen mit Bosnien-Herzegowina nun umgesetzt werde. Dieses wurde bereits 2008 unterschrieben, trat aber wegen des fehlenden Reformwillens nie in Kraft.
Willen zu Reformen
Die EU hat vergangenes Jahr nach jahrelangem Scheitern eine neue Strategie ersonnen. Es wurde die Bedingung gesetzt, dass die Parteiführer eine Willenserklärung für Reformen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich abgeben. Diese Reformerklärung wurde am Montag nun auch vom Parlament abgesegnet. Damit ist der Weg für das Abkommen frei. Die Umsetzung muss noch auf EU-Ebene beschlossen werden, wahrscheinlich wird dies im April erfolgen. Konkrete Schritte im Rahmen des Abkommens werden wohl erst im Herbst erfolgen.
Mogherini betonte, dass vor allem die Effizienz der staatlichen Institutionen verbessert werden müsse und viel Arbeit bevorstehe. Sie betonte, dass es auch darum ginge, dass die EU erfolgreich sein wolle. Kurz vor ihrem Besuch hatten sich führende Politiker in Bosnien-Herzegowina vier Monate nach den Wahlen auf die Bildung der Regierung geeinigt.
Die "Allianz für den Wandel", ein Bündnis von Parteien, das im Landesteil Republika Srspka angetreten war, erhält zwei Ministerien; ebenso die bosniakische SDA, während die multiethnische Demokratska Fronta (DF) mit nur einem Ministerium sehr schlecht aussteigt. Absoluter Gewinner des Deals ist die kroatische HDZ, die drei Ministerien (Außenamt, Außenhandel und Sicherheit) bekommt. Angesichts der Tatsache, dass sie im Vergleich zu allen anderen Koalitionspartner am weitaus wenigsten Stimmen erhielt - nämlich landesweit nur 7,5 Prozent - zeigt dies, wie hoch die Partei pokern kann.
Rückenwind aus Zagreb
Denn erstens wäre eine Regierung ohne kroatische Partei in Bosnien-Herzegowina nicht möglich, zweitens sind viele Kroaten hier nicht nur ökonomisch in einer besseren Situation, sondern haben auch einen EU-Pass, weil sie auch Bürger Kroatiens sind. Drittens haben sie starken Rückenwind aus Zagreb, wo die HDZ durch die bosnischen Kroaten die Präsidentschaftswahlen gewonnen hat und nun auf die bosnischen Kroaten setzt.
Dass Vorurteile gegen die anderen Volksgruppen tagtäglich gepflegt werden, sah man jüngst an einem Interview mit einem Mittelschüler aus Mostar, der zum Youtube-Star wurde. Dieser "Ante aus Mostar" behauptete, dass er niemals auf der anderen Seite der "Alten Brücke" in Mostar war - also bei den Muslimen - und dass diese anders seien, was man auch an der "Textur ihres Gesichtes" erkennen könne. Über Ante kursieren nun nicht nur Witze: Er ging mittlerweile auch auf die Brücke. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, DER STANDARD, 24.2.2015)