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Ukrainische Soldaten in der Nähe von Artemiwsk, nördlich der umkämpften Stadt Donezk. Der Abzug schwerer Waffen verzögerte sich am Montag, die Waffenruhe wurde mancherorts nicht eingehalten.

Foto: Reuters / Gleb Garanich

Kiew/Moskau – Während der Montag in der ostukrainischen Millionenstadt Charkiw als offizieller Trauertag begangen wurde, erhöhte sich die Anzahl der Todesopfer auf drei. Ein 15-Jähriger erlag im Krankenhaus den Folgen des Sprengstoffanschlags. Zwei der elf Verletzten sind Medienberichten zufolge in kritischem Zustand.

Laut Generalstaatsanwaltschaft nutzten die Attentäter eine Schützenmine, die sie am Straßenrand zündeten, als die Spitze des Demonstrationszugs von Maidan-Anhängern die Stelle erreichte. Der ukrainische Geheimdienst SBU nahm vier Verdächtige fest. Sie sollen zur prorussischen Untergrundorganisation "Charkiwer Partisanen" gehören. Die Spur der Attentäter führe ins russische Belgorod, sagte ein SBU-Sprecher.

Während Moskau die Information nicht kommentierte, bestritt ein Vertreter der "Charkiwer Partisanen" die Beteiligung der Rebellen an der Tat und beschuldigte Kiew, mit dem Anschlag nur einen Anlass für die Ausweitung der Antiterroroperation nach Charkiw schaffen zu wollen. Zuvor hatten sich die "Partisanen" allerdings schon zu mehreren (unblutig verlaufenen) Anschlägen auf die Eisenbahn bekannt.

Erste Etappe noch unerreicht

Scharf bleiben auch die Gegensätze zwischen Kiew und den Separatistenrepubliken im Osten. Die Militärführung verweigerte vorerst den Abzug schwerer Waffen von der Demarkationslinie: "Erste Etappe der Friedensverhandlungen ist die völlige Einstellung der Gefechte", erklärte Armeesprecher Anatoli Stelmach. Immer noch würden die Rebellen auf Positionen der ukrainischen Soldaten schießen. Berichtet wird von Kämpfen um die Ortschaft Schirokino bei Mariupol sowie Artilleriebeschuss der Ortschaften Awdejewka und Popasnaja.

Separatisten fordern mehr OSZE-Präsenz

Die Separatisten im Kriegsgebiet Ostukraine haben für diesen Dienstag den Abzug schwerer Artillerie angekündigt. Die Militärtechnik solle unter Kontrolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) von den Frontlinien der "Volksrepubliken Donezk und Lugansk" abgezogen werden, sagte Separatistensprecher Eduard Bassurin der Agentur Interfax am Montag.

Bereits jetzt seien aus einzelnen Orten dutzende Einheiten mit Technik von der Linie entfernt worden. Insgesamt seien vier Sektoren und 16 Kontrollpunkte für eine Überwachung der Waffenruhe und des Abzugs von Militärtechnik festgelegt worden. Bassurin forderte die OSZE auf, bei der Umsetzung des Minsker Friedensplans auch die ukrainische Seite aktiver zu kontrollieren. Er warf dem ukrainischen Militär vor, bisher keine Schritte für den Abzug von Technik unternommen zu haben. Die ukrainischen Sicherheitskräfte würden vielmehr ihre Stellungen festigen und an allen Seiten Panzertechnik und Personal aufstellen, behauptete Bassurin.

Zudem gibt es offenbar ernste Versorgungsprobleme in den Rebellengebieten. Die Regale in den Geschäften leerten sich schnell, räumte ein Separatistensprecher ein. Auch bei der Energie- und Gasversorgung gibt es Engpässe.

Krim und Kiew im Streit

Neuen Ärger gibt es darüber hinaus zwischen dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und dem moskautreuen Oberhaupt der Krim, Sergej Aksjonow. Poroschenko versprach den Ukrainern am Jahrestag des Beginns der Unruhen auf der Krim, die Halbinsel wieder unter ukrainische Kontrolle zu holen. Poroschenko kritisierte die seit Monaten unter der Parole "Nationalisierung" laufenden Enteignungen als illegal.

Weiters warf Poroschenko den neuen Machthabern massive Bürgerrechtsverletzungen, speziell gegen die krimtatarische Minderheit vor: "Auf der Krim herrschen Polizeiwillkür, Festnahmen unter erfundenen Vorwänden, Durchsuchungen selbst bei religiösen Einrichtungen, Deportationen und Verhaftungen der Führer des krimtatarischen Volkes", sagte er.

Aksjonow reagierte auf Poroschenkos Rede mit dem Versprechen, den ukrainischen Präsidenten vor ein Militärtribunal zu stellen. "Wir haben ihm ein solches Krim-Tribunal versprochen, und glaubt mir, das wird es geben. Wir werden ihn hierherbringen und richten", sagte Aksjonow. Die Krim sei russisch und werde nie wieder zur Ukraine gehören. In Simferopol wurde gleichzeitig der Grundstein für ein Denkmal gelegt, das den Milizen gewidmet ist, die am Umsturz auf der Krim beteiligt waren.

Putin gegen weiteres Minsker Treffen

Der russische Präsident Wladimir Putin erwartet nicht, dass es zu einem Krieg seines Landes mit der Ukraine kommt. "Ich denke, ein solch apokalyptisches Szenario ist unwahrscheinlich, und ich hoffe, dass so etwas niemals passieren wird", sagte Putin am Montag zum Staatsfernsehen.

Putin erklärte zudem, ein weiteres Treffen mit Deutschland, Frankreich und der Ukraine in Sachen Ukraine-Konflikt sei nicht erforderlich. Es gebe keinen Bedarf an einem weiteren Minsker Treffen. Er hoffe, dass die dort zuletzt getroffenen Verabredungen umgesetzt würden. (red/André Ballin, DER STANDARD, 24.2.2015)