Anshella Dudova (36) konnte mit ihren drei Kindern für vier Monate in der Bürobox des Architekten Otmar Essl wohnen.

Foto: Ruep

Otmar Essl mit seiner Frau Ute, Anshella Dudova und Landesrätin Martina Berthold (Grüne) vor der Bürobox (v.li.).

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Salzburg - Die "unsägliche" Debatte über eine geplante Asylunterkunft in seiner Heimatgemeinde Abtenau hat den Halleiner Architekten Otmar Essl im September dazu veranlasst, selbst aktiv zu werden. "Um ein Zeichen gegen die menschenverachtende Diskussion zu setzen, habe ich mit meiner Familie beschlossen, einer Familie eine temporäre Unterkunft in unserer neu errichteten Bürobox zur Verfügung zu stellen", schildert Essl. Seit 30. November wohnt nun die tschetschenische Familie Dudova in dem als Büro geplanten Nebenbau.

Anshella Dudova musste mit ihren drei Kindern (16, 13, 8) schon zweimal aus Tschetschenien fliehen. Neun Jahre lebte die 36-Jährige mit ihrer Familie bereits als Asylwerberin in Stuttgart. Der Versuch, in Tschetschenien wieder Fuß zu fassen, scheiterte. Die Familie fühlte sich fremd im eigenen Land, der jüngste Sohn Islam wurde in Deutschland geboren. Als Anshellas Ehemann die Papiere abgenommen wurden, sei ihnen gedroht worden, ihre Tochter mitzunehmen.

Warten auf den Asylbescheid

Daraufhin flüchtete Anshella Dudova ohne ihren Mann erneut aus ihrer Heimat - dieses Mal nach Österreich. Seit eineinhalb Jahren warten die Dudovas nun auf ihren Asylbescheid, in wechselnden Unterkünften. Zuerst wurden sie in Thalheim untergebracht, danach ging es nach Timelkam, Bad Gastein und in die Stadt Salzburg, bis sie als Nachbarn der Essls einziehen konnten.

Die zunächst noch im Rohbau befindliche Bürobox baute Otmar Essl mithilfe befreundeter Handwerker kurzerhand zur Wohnung um. Essls Entschluss stieß in der Nachbarschaft auf Zustimmung. "Es war schön, diese Hilfsbereitschaft zu erleben", sagt der Architekt. Beim Einzug der Familie sei schon ein Paket mit Lebensmitteln vor der Tür gestanden, der Sporthändler hätte Winterjacken vorbeigebracht und Nachbarn mehrmals gefragt, ob die Familie noch etwas brauche.

"Dominoeffekt" auslösen

Man könne mit gutem Beispiel vorangehen und auch privat seinen Teil leisten, betont Essl. "Unser Ziel war es auch, dazu beizutragen, einen Dominoeffekt auszulösen." Eine Familie aus Maishofen hätte sich bei ihnen bereits erkundigt, weil sie auch eine Unterkunft bereitstellen wollten, erzählt Essl.

Beim Land würden sich immer wieder Menschen melden, die eine Privatunterkunft zur Verfügung stellen wollen, sagt Integrationslandesrätin Martina Berthold (Grüne). In der Stadt Salzburg seien derzeit sogar mehr als die Hälfte der rund 870 Asylwerber in privaten Unterkünften untergebracht. Doch nicht immer stehe den Flüchtlingen eine ganze Wohnung wie bei den Essls zur Verfügung. Viele würden auch bei Bekannten unterkommen oder in Wohngemeinschaften leben.

Im gesamten Bundesland leben derzeit 583 der insgesamt 1931 Asylwerber in Privatunterkünften. Auch für die Familie Dudova wird nach einer neuen Unterkunft gesucht. Ende März muss die Familie aus der Wohnbox wieder ausziehen, da sie als Büro benötigt wird. Die Suche nach einer geeigneten Wohnung in Hallein laufe aber auf Hochtouren, sagt Berthold. (Stefanie Ruep, DER STANDARD, 24.2.2015)