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Ex-Botschafter soll sich das Leben genommen haben.

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Wien – Der wegen Mordes angeklagte kasachische Ex-Botschafter Rakhat Alijew ist tot. Der Insasse der Justizanstalt Josefstadt soll in der Nacht auf Dienstag in seiner Einzelzelle Suizid begangen haben. Er wurde um 7.20 Uhr entdeckt, teilte Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion, mit. Alijew wurde 52 Jahre alt. Am Dienstag hätte er als Zeuge in einem Erpressungsprozess aussagen sollen.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat eine Obduktion der Leiche angeordnet. "Es wurden unverzüglich Untersuchungsmaßnahmen gesetzt", gab Behördensprecherin Nina Bussek bekannt.

Zelle untersucht

Am Dienstagvormittag wurde die Zelle, in der am Morgen die Justizwache die Leiche entdeckt hatte, von einer Tatortgruppe des Landeskriminalamts untersucht. Auch der diensthabende Journalstaatsanwalt nahm an diesem Lokalaugenschein teil. Um die Frage zu klären, was sich in Alijews Haftraum abgespielt hat, wurden auf Betreiben der Staatsanwaltschaft auch erste Einvernahmen durchgeführt. Befragt wurden "Personen, die als Auskunftspersonen infrage kommen könnten", sagte Bussek.

Der Ex-Diplomat befand sich auf eigenen Wunsch in einer Einzelzelle der Sonderkrankenanstalt in der Justizanstalt Josefstadt. "Er galt nicht als suizidgefährdet", sagte Prechtl. Im internen System lief Alijew unter "Grün", was bedeutet, dass er ohne Bedenken allein in einer Zelle liegen durfte.

"Er dürfte viel an seinen Akten gearbeitet haben", erklärte Prechtl. Die Zelle Alijews wurde regelmäßig kontrolliert, allerdings ist die Nasszelle samt WC und Dusche dabei nicht einsehbar.

Verteidiger zweifeln an Suizid

Auch für Alijews Verteidiger Manfred und Klaus Ainedter ist ein Suizid schwer vorstellbar. "Ich habe daran erhebliche Zweifel, ohne jemanden beschuldigen zu wollen. Ich habe ihn gestern noch besucht. Es konnte überhaupt keine Rede von Suizidgefahr sein", sagte Klaus Ainedter, der gemeinsam mit seinem Vater Manfred Ainedter seit mehreren Jahren Alijew strafrechtlich vertreten hat, in einer ersten Reaktion.

Jetzt gelte es die Ermittlungen abzuwarten: "Wir vertrauen darauf, dass der Tod genauestens untersucht und die Todesursache eindeutig festgestellt wird."

Anwalt Prochaska glaubt an Mord

"Die Vermutung ist, dass ihn jemand umgebracht hat", sagte ein weiterer von Alijews Anwälten, Stefan Prochaska. Der Zeitpunkt des Todes kurz vor Beginn der Hauptverhandlung gegen Alijew sei "höchst auffällig". Offenbar sollte verhindert werden, dass die Anklage gegen ihn zusammenbreche.

In den vergangenen Wochen und Monaten habe er viel Zeit mit seinem Mandanten verbracht, der alles andere als in Selbstmitleid zerflossen sei. "Er war eher der Fighter."

Man habe bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung "viele Löcher in der Anklage gefunden", etwa Zeugen, die ihre Aussage vom Papier abgelesen und diese dann lächelnd mit den Worten "Was für ein interessantes Märchen" kommentiert hätten. Außerdem habe man Hinweise erhalten, dass viele Belastungszeugen geplant hätten, in Österreich Asyl zu beantragen. "Es ist höchst auffällig, dass er sich vor der Verhandlung, in der man das gesehen hätte, hätte umbringen sollen", sagte Prochaska.

Opferanwalt fordert genaue Untersuchung

Opferanwalt Gabriel Lansky fordert ebenfalls eine genaue Aufklärung der Todesursache. Auch müsse das Mordverfahren gegen die beiden Mitangeklagten Alijews "wie geplant durchgeführt werden", betonte Lansky.

"Die Todesursache und der Hergang müssen genauestens aufgeklärt werden, damit kein Raum für Verschwörungstheorien bleibt", unterstrich der Anwalt der Witwen der beiden angeblich von Alijew umgebrachten kasachischen Bankmanager.

"Den Opfern geht es um eine Aufklärung der Morde, nicht primär um die Person Alijew", unterstrich Lansky. Der Tod des Ex-Botschafters mache "die Morde nicht ungeschehen". Daher müsse der Prozess gegen den mitangeklagten früheren kasachischen Geheimdienstchef Alnur Mussayev sowie einen ehemaligen Leibwächter des Ex-Botschafters wie geplant stattfinden. Nach bisheriger Planung sollte die Hauptverhandlung im Fall Alijew spätestens Anfang April starten.

Direktor der Vollzugsdirektion: War Suizid

Prechtl kann einer Mordtheorie nichts abgewinnen. "Für uns war es eindeutig Suizid, es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass er ermordet worden ist", sagte der Leiter der Vollzugsdirektion.

Um in Alijews Zelle zu gelangen, müssten der oder die Mörder zuerst über den entsprechenden Schlüssel verfügen. "Und der ist ja nicht leicht zu bekommen", unterstrich Prechtl. Zudem ist der gesamte Gangbereich videoüberwacht. Das entsprechende Material wurde bereits gesichtet und der Staatsanwaltschaft übergeben. Auch hier finde sich keinerlei Anzeichen auf eine Straftat.

Gegen eine Gewalteinwirkung von außen spricht auch, dass es keine Kampfspuren gegeben hat bzw. keinerlei entsprechenden Geräusche aus der Zelle wahrgenommen worden sind. Jemanden lautlos und ohne Gegenwehr gegen seinen Willen zu erhängen sei nur schwer vorstellbar. "Für uns ist es eindeutig ein Suizid, wie sie leider in Haftanstalten vorkommen. Auch wenn wir alles tun, um sie zu verhindern", unterstrich der Leiter der Vollzugsdirektion.

Polizei: Alijew hatte Angst

Wie ein Chefinspektor der Polizei, der die Ermittlungen um die angebliche Erpressung in der Justizanstalt Josefstadt geleitet hatte, im Zeugenstand erklärte, soll Alijew auch nach seiner Verlegung in eine Einzelzelle Angst gehabt haben. "Er war in Furcht und Unruhe und hatte die Befürchtung, dass die Drohungen wahrgemacht werden", sagte der Polizeibeamte.

Die beiden Mithäftlinge, mit denen Alijew nach seiner Inhaftierung zunächst die Zelle geteilt hatte, sollen diesem im Juni 2014 zu verstehen gegeben haben, jemand könne ihn beim Duschen im Waschraum umbringen und dies wie einen Suizid aussehen lassen. Heute, Dienstag, wurde Alijew erhängt im Nassbereich seiner Zelle aufgefunden.

Wie der Chefinspektor weiters zu Protokoll, gab, führte Alijew im Gefängnis Tagebuch. Dort soll er die ihm widerfahrenen Einschüchterungen auch aufgezeichnet haben. Er habe der Polizei dieses Tagebuch aber nicht zur Verfügung stellen wollen, hielt der Chefinspektor fest. Ob dieses Tagebuch nach dem Ableben Alijews in seiner Zelle sichergestellt werden konnte, ließ sich vorerst nicht klären.

Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Für Richter Norbert Gerstberger war es "eine Frage des Anstands", den abschließenden Bericht der Justizanstalt Josefstadt zum Ableben Alijews beizuschaffen. Das Gericht möchte darüber hinaus noch weitere Zeugen hören.

Mordanklage

Gegen den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Alijew war Ende des vergangenen Jahres eine Mordanklage eingebracht worden. Dem früheren Schwiegersohn des kasachischen Machthabers Nursultan Nasarbajew wurde die Tötung zweier Bankmanager in Kasachstan angelastet. Die kasachische Justiz begann mit der Verfolgung Alijews, nachdem sich dieser im Jahr 2007 mit Nasarbajew überworfen hatte.

Zwei Auslieferungsbegehren Kasachstans wurden von Österreich abgelehnt, nach längerem Tauziehen begann die österreichische Justiz dann selbst mit Ermittlungen in dem Fall. (APA/red, 24.2.2015)