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Islamismus – für Zeitungen ähnlich verkaufsfördernd wie Darth Vaders Antlitz für "Star Wars"-Merchandise?

Foto: REUTERS/Daniel Munoz

"Integration", dies freundlich klingende, mit Wohlwollen angereicherte Wörtchen mag ja stellvertretend für ein im Endeffekt positives Ziel – böse Zungen sagen: Ideal – stehen, mir hingegen ist es mittlerweile nur mehr ein Graus. Ich will nirgendwo "integriert werden", mir impliziert es a priori ein Attest des Fremdseins.

Dabei bin ich mittendrin, wurde hineingeboren, hier, in dieses Land mit Bergen und seinem konservativ-melancholisch-pessimistischen, im Grunde jedoch gutmütigen Völkchen mit all seinen Vorzügen und Makeln. Nein, es ist nicht die Rede vom – nach wie vor – besetzten Kurdistan, aus welchem einst mein Großvater und Vater einwanderten, sondern tatsächlich Österreich, dessen Politlandschaft Interessierten – also so gut wie niemandem – das wohl kostspieligste – und für diesen Preis nicht einmal gute, weil: fürchterliche Darsteller! – Kasperltheater unserer Geschichte bietet.

Verkaufshilfe "Islam(ismus)"

"Islam(ismus)" – welcher kein monolithischer Block ist, wie es manche gerne hätten, vielmehr Dachbegriff unterschiedlichster Konfessionen, die teilweise nur mehr wenig miteinander gemein haben – samt möglichen Gefahren ziert alle möglichen Zeitschriftencover und Schlagzeilen wie das Antlitz Darth Vaders "Star Wars"-Merchandise – als Verkaufshilfe.

Zwischen Extremen

Das leidige Thema ist in einer Sackgasse angekommen und schwankt zuverlässig, einem Pendel gleich, zwischen Extremen hin und her: Auf der einen Seite kollektive Dämonisierung der Lehre des Muhammad und seiner Anhänger, andererseits die bei ebendiesen viel zu weit verbreitete "Bei uns gibt's keine Probleme!"-Einstellung. Das ist irgendwie auch wieder allzu österreichisch.

Die einen warnen vor drohender Islamisierung eines Kontinents, von dem Teile bereits eine bis zu 700-jährige islamische Vergangenheit vorzuweisen haben. Die anderen nehmen das als Vorwand, um erst recht in geistiger Abwehrhaltung zu verharren und jedem noch so plausiblen Argument in gleichfalls oberflächlicher Manier zu antworten ("Du bist islamophob/ein Nazi!").

Ja, wir haben ein Problem

Ja, wir haben ein Problem mit Rassismus und Rechtsextremismus, teilweise schwieriger Geschichte geschuldet. Ja, es läuft bei uns nicht alles rund im Umgang mit "anderen". Ja, man bekommt in gewisser Hinsicht die Rechnung für Jahrzehnte des – bestenfalls – Desinteresses gegenüber eingewanderten Menschen serviert. Manche "Autochthone" werden "Migranten" niemals akzeptieren. (Was soll man denn als Kurdischstämmiger sagen? Wir wurden drüben längst "überfremdet"!). Alles unbestritten.

Selbstreflexion tut not

Doch darf, muss geradezu, auch Selbstreflexion vom im Integrationsprozess mitspielenden Gegenüber verlangt werden. Muslime in Österreich haben die Chance, sich frei zu artikulieren; auch oder gerade gegenüber Gleichgläubigen. Der innere, ehrliche Dialog wird irgendwann unausweichlich, und er wird selbstverständlich nicht immer aalglatt verlaufen: Wie tolerant sind "wir" eigentlich im Umgang mit "anderen"; beispielsweise mit ethnischen oder religiösen Minderheiten in "unseren" Ursprungsländern, zu denen nach wie vor unbestreitbar ein starkes Band besteht? Ist "Toleranz" ein Konzept mit Zukunft oder lediglich ein Schlagwort, dessen Haltbarkeit mit dem Ende der Diskussion im ORF-Studio, dem Abschalten der letzten Kamera ausläuft?

Ist es empfehlenswert, sich lautstark als Anhänger von ausländischen Politikern zu gebärden, deren Wertekatalog – sofern überhaupt vorhanden – beinhaltet, Feindbilder zu konstruieren? Ist es empfehlenswert, für diese Leute den treuen, patriotischen Parteisoldaten zu spielen, auch in politischen Organisationen der "neuen" Heimat, deren Ideologie womöglich völlig konträr dazu steht? Sind "wir" bereit, Veränderungen einzuläuten, oder werden lediglich ultrakonservative Ansichten im neuen Gewand präsentiert?

Und ganz besonders muss damit aufgehört werden, Tote heuchlerisch nach Konfession, Religion des Täters und Vermarktbarkeitspotenzial auszusuchen. Wer sich für diskriminierte Minderheiten einsetzt, muss dies ohne Unterschied tun. Man probiere es wenigstens! (Anîl Yasar, derStandard.at, 25.2.2015)