Oskar Aszmann von der Med-Uni Wien mit einer bionischen Prothese.

Foto: MedUni Wien/C. Houdek

Wien/London - Das Armnervengeflecht des Plexus brachialis steuert die menschliche Arm- und Handfunktion und wird durch fünf "Wurzeln" aus dem Rückenmark gespeist. Durch schwere Unfälle können diese "Wurzeln" so beschädigt werden, dass Hand und Arm funktions- und gefühllos werden. In der plastischen Chirurgie wird zwar versucht, die beschädigten Nerven wieder zu rekonstruieren, doch bei weitem nicht immer mit Erfolg.

Nun ist es Forschern um Oskar Aszmann von der Medizinischen Universität Wien im AKH erstmals gelungen, drei Patienten nach schwersten Verletzungen am Plexus brachialis mittels einer speziellen Rekonstruktionstechnik und mechatronischer Prothesen wieder zu funktionsfähigen Händen zu verhelfen. Die Fälle wurden aktuell in der britischen Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht.

Innere Amputation

Das österreichische Tochterunternehmen des deutschen Medizintechikkonzerns Otto Bock Healthcare hat die weltweit erste in Serienproduktion gegangene Bionik-Armprothese bereits 2007 vorgestellt. Bisher wurden diese Prothesen erfolgreich bei Patienten nach unfallbedingten Amputationen eingesetzt.

Die von Aszmann entwickelte Methode der bionischen Rekonstruktion kann aber offenbar auch Personen mit schweren Verletzungen des Plexus-brachialis-Armnervengeflechts helfen und solche Prothesen für sie nutzbar machen. "Im Endeffekt bedeutet ein Plexus-brachialis-Abriss eine innere Amputation", sagt Aszmann. Durch eine solche Beschädigung werde die Hand von der Kontrolle durch die Nerven abgeschnitten.

Muskulärer Signalverstärker

Die bisherigen chirurgischen Techniken seien weitgehend ineffektiv in Bezug auf die Kontrolle der Handfunktion. Die bionische Rekonstruktion sei hingegen ein Gesamtkonzept, das über eine Operationstechnik hinausgehe: "Es handelt sich um komplexe neuromuskuläre Eingriffe, die eine interaktive Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ermöglichen."

Am Beginn der nun beschriebenen Behandlungsfälle stand eine genaue Bilanzierung der Hand- und Armfunktion und der verbliebenen Nervenäste. Diese wurden im Zuge eines operativen Eingriffs biopsiert und auf Funktionstüchtigkeit geprüft. Nach positivem Befund wurde dann aus dem Oberschenkel ein Stück Muskel entnommen und in den Unterarm transplantiert. Der Muskel dient dort als Signalverstärker der noch vorhandenen Nerven. "Durch die Muskelkontraktion entstehen ausreichend starke elektrische Signale. Diese Myosignale dienen dazu, die neue, mechatronische Hand zu steuern", erklärt Aszmann.

Deutliche Erfolge

Zudem führten die drei Patienten neun Monate lang ein intensives kognitives Trainingsprogramm durch, um bestimmte Muskelpartien zu verstärken. Dann wurde die funktionslose Hand amputiert. Die Patienten lernten schließlich, die von den Muskeln ableitbaren elektrischen Signale zur Steuerung der Bionik-Hand zu verwenden.

Drei Monate nach der Amputation brachten die Prothesen laut der Studie in "Lancet" allen drei Patienten eine bessere Handfunktion, höhere Lebensqualität und weniger Schmerzsymptome. Zum ersten Mal seit ihren Unfällen konnten sie etwa einen Ball aufheben, Wasser aus einem Krug schenken, Schlüssel benutzen und mit einem Messer schneiden. Laut Aszmann steht einer Anwendung der Technik auch in anderen spezialisierten Kliniken nichts im Wege. (APA, red, 25.2.2015)