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International arbeiten Wissenschafter daran, Glycerin, das als Nebenprodukt bei der Biodieselherstellung anfällt, statt Erdöl zur Herstellung von Chemikalien zu verwenden. Oben im Bild ist ein Rapsfeld in Deutschland zu sehen, unten ist ein Arbeiter in einer indonesischen Palmöl-Aufbereitungsanlage, in der Biodiesel hergestellt wird.

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Graz/Wien - Wie immer man zum Einsatz von Biodiesel und der damit verbundenen Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für umweltverträgliche Treibstoffe statt für die Ernährung stehen mag - die Biodieselproduktion steigt immer weiter an. Mittlerweile werden davon weltweit über 20 Millionen Tonnen pro Jahr hergestellt, in Österreich sind es immerhin rund 350.000 Tonnen.

Mit jeder Tonne Biodiesel fallen als Nebenprodukt auch etwa 100 Kilogramm Glycerin an. Glycerin ist in allen natürlichen Fetten und fetten Ölen als Fettsäureester vorhanden, spielt eine zentrale Rolle als Zwischenprodukt in verschiedenen Stoffwechselprozessen und eignet sich gut für chemische Reaktionen. Gereinigtes Glycerin wird traditionell in der Kosmetik, der Nahrungsmittel- und der chemischen Industrie verwendet.

Teure Entsorgung

Doch das ständig wachsende Angebot übersteigt den Glycerinbedarf der diversen Industriezweige bei weitem. Die Folge ist nicht nur ein enormer Preisverfall. Es bleibt auch ein beträchtlicher Überschuss an Glycerin bei den Biodieselproduzenten, dessen Entsorgung teuer und ökologisch bedenklich ist. Denn nicht verkauftes Glycerin wird überwiegend mit den Industrieabwässern entsorgt oder für die Biogasherstellung verbrannt. Deshalb suchen Forscherteams weltweit nach neuen Verwertungsmöglichkeiten für den als Abfall behandelten Wertstoff. Die Chancen stehen gut, denn Glycerin eignet sich optimal für die Herstellung von Chemikalien, die zurzeit noch aus Erdöl produziert werden.

Mit der Eröffnung des neuen, vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft geförderten Christian-Doppler-Labors für Glycerin-Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien mischt nun auch Österreich im internationalen Ideenwettstreit mit. Während in Frankreich beispielsweise bereits eine Anlage zur Produktion von Klebstoffen und Gießharzen aus Glycerin existiert, in den USA Lösungsmittel oder Brems- und Kühlflüssigkeit aus dem im Übermaß vorhandenen Wertstoff produziert werden und deutsche Forscher testen, ob sich aus chemisch unverändertem Glycerin Schmierstoffe gewinnen lassen, konzentriert man sich in Wien zunächst vor allem auf die Kunstfaserherstellung.

Im Zentrum der Forschung stehen dabei unter anderem Milchsäurebakterien. "Diese Mikroorganismen werden dem Glycerin zugesetzt, um daraus eine Substanz namens Propandiol zu gewinnen", sagt der Leiter des neuen CD-Labors, Michael Sauer. "Dieses Propandiol wird für die Kunstfaserherstellung benötigt." Wobei die große Herausforderung weniger in der Durchführung des Umwandlungsprozesses von Glycerin in Propandiol unter Laborbedingungen liegt, sondern vor allem in der Entwicklung eines industriell umsetzbaren, gewinnbringenden Prozesses. "Damit Biodieselproduzenten zigtausende Tonnen Glycerin mit diesem Verfahren verarbeiten können, muss es hocheffizient sein", sagt Sauer.

"Das heißt, die Anlage muss einfach und sicher zu bedienen sein und kostengünstig arbeiten." Schließlich sind die Kunstfasern als Endprodukt eher im Niedrigpreissektor angesiedelt. Ein mit diesem Verfahren hergestelltes Produkt wurde bereits patentiert und soll demnächst von einem Industriepartner des CD-Labors vermarktet werden.

Hefe im Test

Neben den Milchsäurebakterien wollen die Forscher auch noch andere Mikroorganismen - wie zum Beispiel Hefe - auf ihre Verwendbarkeit bei der Herstellung von Produkten auf Glycerinbasis testen. Während das Verfahren mit Milchsäurebakterien von den Wiener Biotechnologen entwickelt wurde, ist von der Hefe bereits länger bekannt, dass deren Kombination mit Rohglycerin industriell interessante Chemikalien hervorbringt.

So geht es den Forschern dabei in erster Linie um die Entwicklung eines wirtschaftlichen Verfahrens, das nicht nur im Labor, sondern auch in der viel komplexeren Wirtschaftswelt funktioniert.

Um das Produktspektrum von Hefe, Milchsäurebakterien und anderen für die Glycerinumwandlung infrage kommenden Mikroorganismen zu erweitern, sind grundlegende Fragen über Stoffwechselvorgänge zu klären. Im Wesentlichen geht es dabei um das Zusammenspiel von Struktur und Aufbau der Mikroorganismen mit dem Stoffwechsel. So kann zum Beispiel Hefe einzellig wachsen oder mehrzellige Strukturen ausbilden. Je nachdem, in welcher Form sie wächst, ändert sich auch das Spektrum der gebildeten Produkte. "Dieser Zusammenhang ist zwar schon lange bekannt, über die molekularen Grundlagen aber weiß man noch überraschend wenig", sagt Sauer. (Doris Griesser, DER STANDARD, 25.2.2015)