Die Zigarrenfirma Padrón hat eine große Fabrik in Estelí in Nicaragua. Für die Arbeiter sind die exklusiven Produkte unerschwinglich, aber sie träumen vom gesellschaftlichen Aufstieg

Frischer Tabak brennt in der Nase. Es riecht süßlich, modrig, eine Spur nach Verwesung. Dutzende grelle Neonröhren beleuchten eine Lagerhalle. Mehr als hundert Leute stehen vor hüfthohen Tischen und sortieren die braunen Blätter der Tabakpflanze. Die Toiletten befinden sich an der Stirnseite des Raums, rund vier Meter vom letzten Tisch entfernt. Unter der Tür ist ein dünner Spalt, Privatsphäre ist ein Luxusgut in der Luxuszigarrenfabrik.

Foto: Julia Schilly

José Orlando Padrón aus Kuba gründete 1964 eine der ersten Zigarrenfabriken in Nicaragua. 5,5 Millionen Zigarren verlassen pro Jahr das Gelände, um in die ganze Welt exportiert zu werden. Hauptabnehmer sind die USA. In Miami befindet sich eine große Zentrale von Padrón.

Foto: Julia Schilly

Rodolfo Padrón ist ein Neffe des Firmengründers. Er ist auf Besuch aus Miami und pflegt einen Südstaatenakzent. Seine raue Stimmen deutet darauf hin, dass er selbst ein guter Kunde seiner Produkte ist. "Zigaretten sind viel schädlicher als Zigarren. Denn die Zigarren bestehen nur aus Tabakblättern, es sind keine Chemikalien enthalten", ist er überzeugt. "Wir sind so weit gekommen, dass Tabakrauchen schon fast überall verboten ist, aber Marihuana legalisiert werden soll", poltert Padrón.

Foto: Julia Schilly

Bei der Beschreibung des Geschmacks der unterschiedlichen Zigarren hat Padrón seine eigene Philosophie: Entweder es schmecke gut oder nicht. Er hält nichts von blumigen Umschreibungen wie "schokoladig" oder "ledrig". Die Zigarren kosten ab vier Euro bis zu einer "Summe, die man dafür ausgeben möchte", wie er verschmitzt erklärt. "Zigarren sind wie Wein. Wir fertigen auch Zigarren aus bis zu zehn Jahre altem Tabak", sagt Padrón. Es gibt insgesamt 21 Gebäude, in denen der Tabak jahrelang fermentiert wird.

Foto: Julia Schilly

Vom Keimling bis zur fertigen Zigarre: Die Firma übernimmt den gesamten Prozess. Die geernteten Blätter kommen von der Plantage direkt in die Fabrik in Estelí und werden nach Farbe, Geruch und Geschmack klassifiziert. Zigarrenproduzenten unterscheiden zwischen 200 Farbtönen. Aus einer Pflanze können unterschiedliche Marken hergestellt werden.

Foto: Julia Schilly

Marcia Lisette arbeitet seit fünf Jahren bei Padrón. Mit geschmeidigen Bewegungen streicht sie ein Tabakblatt glatt, wickelt den Strunk einmal um ihren Finger und trennt ihn sauber vom Blatt ab. Die Finger der 47-Jährigen sind vom frischen Tabak braun verfärbt. Sie berichtet von Augenreizungen, Hautausschlägen und Schwindelanfällen. "Ich rauche selbst nicht, mir reicht der Geruch hier", sagt sie.

Foto: Julia Schilly

Aus einem Raum weiter im Inneren des Firmengeländes kommen klopfende Geräusche. Dort werden die Blätter zu Zigarren gerollt. In den unterschiedlichen Tischreihen werden verschiedene Formen gefertigt. Rund 450 Zigarren schafft ein Arbeiter pro Woche, schätzt Padrón.

Foto: Julia Schilly

Die Fabrik ist Arbeitgeber für viele Bewohner von Estelí. 520 Menschen arbeiten in der Fabrik, weitere 700 bis 800 auf den Feldern. Rund 380 Frauen werden beschäftigt. Manche arbeiten bereits seit Jahrzehnten in der Firma. Der Mindestlohn beträgt 128 Córdoba Oro, umgerechnet rund 4,3 Euro pro Tag.

Foto: Julia Schilly

Bei Padrón werden die Arbeiter jedoch ihrer Qualifizierung entsprechend bezahlt, und alle bekommen einen Aufschlag auf den Mindestlohn, betont Padrón. Nach dem nicaraguanischen Arbeitsgesetz beträgt eine Vollbeschäftigung 48 Stunden pro Woche. Meist werden die Stunden auf Montag bis Samstag verteilt. "Hier wird der Samstag ausgespart, da wir auch viele Mütter beschäftigen", sagt Padron.

Foto: Julia Schilly

In einem letzten Raum werden die Zigarren mit Etiketten versehen, in Zellophan und Schachteln verpackt.

Foto: Julia Schilly

Belkis Tinoco ist eine Verpackerin. 30 Euro verdient sie pro Woche. Ein Drittel davon bekommen ihre Mutter und ihre jüngeren Geschwister. Sie ist sehr ernst, spricht zielstrebig von ihren Plänen. Nur die in unterschiedlichen Farben lackierten Fingernägel verraten ihr jugendliches Alter. Die 19-Jährige finanziert sich mit der Arbeit ihr Studium, sie will Pharmazeutin werden. Neben 48 Stunden Arbeit pro Woche studiert sie Samstag und Sonntag. Fünf Jahre wird das dauern, schätzt sie. Ein harter, aber nicht ungewöhnlicher Weg, durch den sich viele Nicaraguaner aus armen Verhältnissen einen sozialen Aufstieg erhoffen.

Foto: Julia Schilly

"Es wird nichts beigebracht, sondern schon erwartet, dass man alles kann", sagt José Antonio Cruz von der Gewerkschaft. Er vertritt vor allem Jugendliche und berichtet von arbeitsrechtlichen Problemen in den Tabakfabriken. So werden Arbeitszeugnisse ohne Begründung verweigert – auch, um gute Arbeiter von einer Kündigung abzuschrecken. Er sieht ein Programm der technischen Schule von Nicaragua als Chance: Dort bekommen Jugendliche Kurse für spezielle Bereiche der Tabakverarbeitung. Mit dieser Qualifikation haben sie bessere Möglichkeiten, Arbeit zu finden und auch wieder zu wechseln.

Foto: Julia Schilly

Die Firma Padrón blickt durchaus auch auf stürmische Zeiten zurück. Zur Zeit der Revolution, als die Diktatur des Somoza-Clans gestürzt wurde, war die Firma besetzt. 1981 wurde eine Bombe gelegt, nachdem der Firmengründer Fidel Castro eine Zigarre überreicht hat. Der Bombenleger konnte identifiziert werden und wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. (Julia Schilly, derStandard.at, 10.3.2015)

Foto: Julia Schilly