Wien/Washington - Die Zufriedenheit mit Barack Obama könnte nicht größer sein. "Wir sind begeistert über die Entscheidung des Präsidenten", schreiben Aktivisten der NGO 350.org auf ihrer Website. Obama habe dafür gesorgt, dass der "Liebesbrief" des US-Kongresses an die Ölkonzerne nicht abgeschickt werden wird. "Die Jahre unseres Aktivismus und unseres Protests haben sich ausgezahlt."
Noch ist es kein endgültiger Erfolg. Aber im Ringen um den Bau der Pipeline Keystone XL haben US-Umweltorganisationen wie 350.org einen Etappensieg erzielt. Der republikanisch geführte Kongress hatte Anfang Februar ein Gesetz verabschiedet, mit dem grünes Licht für den Bau der strittigen Pipeline gegeben wurde. Das ist der "Liebesbrief", von dem die Umweltschützer sprechen.
1900 Kilometer lange Pipeline
Seit sieben Jahren wird in Washington um das Projekt gerungen. Die Keystone-XL-Pipeline soll 1900 Kilometer von der kanadischen Provinz Alberta bis nach Nebraska verlaufen. Mit der Pipeline soll in Alberta gewonnenes Rohöl in den USA verkauft oder aber in den großen Raffinerien des Mittleren Westens verarbeitet werden. Bereits 2008 hat das kanadische Unternehmen TransCanada Corporation um Genehmigung für den Bau angesucht. Keystone XL soll eine bestehende Pipeline (Keystone) ergänzen und durch eine direktere Route einen rascheren Transport ermöglichen.
Umweltschützer laufen allerdings Sturm gegen das Projekt. Das liegt vor allem an der Art der Erdölgewinnung in Alberta. In der Region findet sich der Rohstoff vor allem im Teersand, einer Mischung aus mineralhaltigem Ton, Sand und Wasser. Teersand befindet sich überwiegend in einer Tiefe zwischen 30 und mehreren hundert Metern unter der Erdoberfläche. Bei der Gewinnung müssen also gewaltige Erdmengen abgetragen werden. Das Verfahren zerstöre die Tier- und Pflanzenwelt und lasse eine Landschaft wie in Mordor zurück, sagte Maude Barlow, die frühere UN-Sonderbeauftragte für sauberes Wasser, einst. Mordor ist die Einöde aus der "Herr der Ringe"-Trilogie unter der Herrschaft des Dämons Sauron.
Wie in Saurons Reich
Die Gewinnung von Öl aus Teersand gilt zudem als sehr energieintensiv, weil das Sandgemisch nur durch einen aufwändigen Prozess verwertet werden kann. Das kanadische Pembina-Institut, das sich für die saubere Gewinnung von Energie einsetzt, geht davon aus, dass bei der Produktion von Rohöl aus Teersand drei- bis viereinhalbmal mehr CO2 freigesetzt wird als bei herkömmlichen Verfahren. Werde Keystone XL gebaut, wird das die Ölgewinnung aus Teersand lukrativer machen und damit zu noch mehr Treibhausgasemissionen führen, sagen Kritiker. Auch die EU-Kommission sieht den Prozess kritisch: Eine für 2014 geplante Richtlinie sollte den Import von Teersandöl in die EU erschweren. Die Kommission kippte das Vorhaben schließlich - nicht zuletzt deshalb, um die Freihandelsgespräche mit Kanada (Ceta) nicht zu gefährden.
In den USA prüfen derzeit mehrere Behörden, darunter das Außenministerium, das Keystone-XL-Projekt. Obama ist nicht grundsätzlich dagegen, er hat aber ein Veto eingelegt, um dem Prüfverfahren nicht vorzugreifen, so das Weiße Haus.
Das Nein des Präsidenten gilt als symbolisch wichtiger Akt. Obama hat in seiner gesamten Amtszeit erst zweimal zu einem Veto gegriffen. Die Republikaner haben nach den Wahlen im Herbst 2014 die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses übernommen - Vetos könnten sich also bald häufen. Keystone war das erste vom Kongress im aktuellen Jahr verabschiedete Gesetz. (szi, DER STANDARD, 26.2.2015)