Bild nicht mehr verfügbar.

Anhänger der Muslimbrüder demonstrieren Mitte Februar vor dem Höchstgericht für den Vizechef der Bruderschaft, Zaki Bani Ersheid. Er wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Foto: AP / Raad Adayleh

Amman/Wien - In Jordanien sind mittlerweile Dutzende Straßen, Gebäude und andere Örtlichkeiten nach dem vom "Islamischen Staat" (IS) durch Verbrennung ermordeten Pilot Moaz Kasasbeh benannt. Die Solidaritätswelle begünstigt einstweilen die Linie der jordanischen Führung als Teil der US-geführten Anti-IS-Allianz, wobei von Militärbeobachtern Spekulationen, von Jordanien könnte eine Bodenoffensive ausgehen, als eher unrealistisch bewertet werden. Mit dem Hinauffahren der Grenzsicherung - erst am Dienstag wurde wieder eine versuchte "Infiltration" über die syrisch-jordanische Grenze gestoppt - und den Luftangriffen auf IS-Ziele seien die jordanischen Streitkräfte ausgelastet.

Jordanien hat seit dem Siegeszug des "Islamischen Staats" versucht, die islamistische Szene im eigenen Land besser zu kontrollieren. Imame werden "ermutigt", in den Moscheen gegen IS zu predigen und zum nationalen Zusammenhalt aufzufordern. Auch die Kritik an der unpopulären Anti-IS-Allianz soll verstummen.

Teufel und Beelzebub

Besonders hoch stehen Salafisten im Kurs, die sich gegen IS aussprechen. Experten kritisieren jedoch, dass dabei versucht wird, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Ein Beispiel dafür ist der Al-Kaida nahestehende salafistische Ideologe Abu Mohammed al-Maqdisi, der bereits im Juni 2014 aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er wettert zwar gegen IS, setzt sich aber für den Kampf "gegen Tyrannen, Rafida und Nusayris" (Schiiten und Alawiten) ein und kritisiert die "Apostatenarmeen" der Araber, die an der Anti-IS-Allianz teilnehmen. Als er es zu weit trieb, wurde er im Oktober wieder verhaftet - um Anfang Februar erneut freigelassen zu werden. Offenbar war er in Bemühungen involviert, Kasasbeh und inzwischen ebenfalls getötete US-Geiseln durch Verhandlungen frei zu bekommen.

In Jordaniens Bevölkerung finden antiwestliche islamistische Ideen viel Zuspruch. Laut einer Umfrage der Jordan University im Herbst halten 38 Prozent der Jordanier den "Islamischen Staat" nicht für eine Terrororganisation. Die Werte für die zu Al-Kaida gehörige Nusra-Front sind noch erschreckender, nur 31 Prozent bezeichnen sie als Terroristen. Dabei ist die Nusra-Front eine Organisation, die 2011 in Syrien auf Initiative des späteren selbsternannten IS-"Kalifs" Abu Bakr al-Baghdadi gegründet wurde.

Die älteste islamistische Organisation Jordaniens, die 1946 gegründete jordanische Filiale der Muslimbrüderschaft, die trotz ihrer Opposition immer als im Grunde genommen zum System gehörig angesehen wurde, kommt indes nicht aus den Turbulenzen heraus. Nach einer drohenden Spaltung über die reformatorischen "Zamzam-Initiative" innerhalb der Bruderschaft im Vorjahr wurde nun eine ganze Reihe von Führungskräften ausgeschlossen, unter anderen ihr früherer Chef Abdelmajid Dhneibat.

Spaltung der Muslimbrüder

Dhneibat soll versucht haben, ohne Absprache mit der jetzigen Führung die Muslimbruderschaft als politische Partei anzumelden. Derzeit hat sie eine Lizenz als islamischer Verein, ihr politischer Arm ist die Islamische Aktionsfront (IAF). Wenn die Behörden Dhneibat eine Lizenz geben, könnte er eine neue Konkurrenzpartei gründen.

Die Brüderschaft ist bereits geschwächt: Vor zehn Tagen wurde ihr Vizechef, Zaki Bani Ersheid, zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Er hatte die Vereinigten Arabischen Emirate beschimpft, die die (internationale) Muslimbruderschaft auf ihre Terrorliste gesetzt hatten. Innerhalb der Bruderschaft werden seit der Gründung von "Zamzam" 2012 die Stimmen lauter, die fordern, dass sich die jordanischen Muslimbrüder vor allem um jordanische Belange kümmern sollten - und nicht um internationale oder palästinensische. Viele jordanische Palästinenser sind Anhänger der Muslimbruderschaft und somit Sympathisanten der Hamas.

Dem jordanischen Regime können die Spaltungstendenzen innerhalb der starken Opposition nur recht sein. Es wurde auch immer wieder gemunkelt, dass hinter "Zamzam" eigentlich der Staat steht. Die Spekulationen werden auch diesmal nicht ausbleiben. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 26.2.2015)