Wien - Kommt das Aus? Zusammen mit dietheater Künstler- und Konzerthaus, das seit 2007 Brut Theater heißt, wurde das Festival imagetanz im historischen Jahr 1989 gegründet. Jetzt halten sich, nachdem die Spielstätte im Konzerthauskeller kürzlich überraschend aufgegeben wurde, hartnäckig Gerüchte, dass unter der neuen Intendanz von Kira Kirsch ab kommenden Herbst auch dem einzigen kleineren Festival für zeitgenössische Choreografie in Wien die Lichter ausgeblasen werden sollen.
Richard Schweitzer, der seit Beginn dieser Saison die Geschäfte des Brut führt, sagte auf Anfrage des Standard bei der Pressekonferenz zur Präsentation von imagetanz 2015: "Es ist noch keine Entscheidung getroffen." Die Idee, dass imagetanz "ersatzlos gestrichen" würde, habe er "noch nie gehört". Es sei auch keine Rede davon, weitere Streichungen im Brut vorzunehmen. Und zur Aufgabe der Konzerthausräumlichkeit gebe es "ganz viele positive Rückmeldungen".
1989 waren beide Spielstätten unter Christian Pronay der Wiener freien Theater- und Tanzszene überlassen worden. Das imagetanz-Festival hatte seitdem entscheidenden Anteil daran, dass sich die freien Choreografen ihrer Stadt präsentieren konnten. Die Sparte existiert in Ambivalenz: Im Jahr 2000 wurde das Festival Tanzsprache im Wuk nach elf Jahren eingestellt. 2002 war dort nach zehn Ausgaben auch Schluss für das Nachwuchsfestival Neuer Tanz. Dazwischen, 2001, ging das Tanzquartier im MQ an den Start. Im Vorfeld wurde bereits Zweifel darüber geäußert, ob dietheater dann überhaupt noch Tanz zeigen sollte.
Die Angst vor der Konkurrenz hat damals nicht gesiegt. Geleitet wurde imagetanz, das zwischendurch auch einen ganzen Monat dauern konnte und zeitweilig imagemärz hieß, erst von Anna Thier. Sie wurde 2003 mit ihrem Wechsel ins damalige Off-Theater- und Tanzkuratorium von Bettina Kogler abgelöst. Kogler leitet seit 2013 die Abteilung Performing Arts im Wuk. Nun findet - von 6. bis 21. März - unter dem Motto "Unheimliche Körper" die zweite imagetanz-Ausgabe unter Katalin Erdödi statt.
Thier hatte auf Vielfalt in der Tradition der 1980er Jahre gesetzt. Kogler arbeitete die neue Körperlichkeit im Tanz der Nuller Jahre auf. Erdödi hat die jüngsten Berührungen zwischen Choreografie, Theater und Performance Art erkannt. Dass sie das Brut nach nur zwei Festivals wieder verlässt, ist ein Verlust für die Institution, denn sie hat auch jetzt wieder ein schlüssiges, gegenwartsorientiertes Programm gebaut.
Darin richtet etwa das Künstlerpaar hoelb/hoeb eine "Spielstätte für einen inklusiven Humanismus" ein, die Französin Myriam Lefkowitz führt ihr Publikum an ausgesuchte Blickpunkte in Wien, und Julian Hetzel aus Amsterdam zeigt eine Performance über diffuse Ängste. Die sehr aktuellen Beklemmungen vor dem Fremden sind Thema des Festivals und damit auch bei Teresa Vittucchi, Milan Loviska, Núria Güell sowie Barbara Ungepflegt. Barokthegreat raucht einen Victory Smoke, weiters werden Zombies, ein unheimliches Tal und das Alleinsein beschworen. Da könnte Gänsehaut aufkommen. Die Angst um die Zukunft von imagetanz bleibt. Aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 26.2.2015)