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Frauen mit Migrationshintergrund haben ein 3,4-fach höheres Diabetesrisiko als in Österreich Geborene.

Foto: Reuters/MARIO ANZUONI

Wien - In Österreich leben 1,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Nach ihrer Herkunft und ihrem Schicksal stellen sie eine unerhört heterogene Gruppe dar. Dazu gehören auch ihre gesundheitlichen Charakteristika. Die Sucht macht aber offenbar die Menschen in Österreich gleich, sagten Experten am Donnerstag beim "Migration - Epidemiologische und medizinische Aspekte" in der Wiener Ärztekammer.

Häufiger chronisch krank

Soziale Stellung, Herkunftsregion und vor allem der Grund für die Einwanderung nach Österreich - am schlechtesten haben es traumatisierte Flüchtlinge - spielen die entscheidende Rolle auch in den persönlichen Gesundheitsaspekten. Bernhard Ludvik, Stoffwechsel- und Diabetesspezialist an der Wiener Rudolfstiftung: "17 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund kamen aus der Türkei, 33 Prozent aus EU-Staaten und ebenfalls 33 Prozent aus dem ehemaligen Jugoslawien." Man müsse auch unterscheiden, ob die Menschen als junge und gesunde Personen nach Österreich gekommen und sich kulturell (Ernährung etc.) angepasst hätten oder ob sie Flüchtlinge mit chronischen Erkrankungen, Traumata etc. seien.

Aus den Studien, die Ludvik in der Vergangenheit an der MedUni Wien durchgeführt hat, lassen sich aber bestimmte Fakten ableiten. "Migranten sind häufiger chronisch krank. Frauen mit Migrationshintergrund haben ein 3,4-fach höheres Diabetesrisiko als in Österreich Geborene. Dass die Übersiedelung nach Österreich nicht zu einem gesünderen Lebensstil führt bzw. führen muss, beweist eine von Ludvik und seinem Team durchgeführte Vergleichsstudie mit Diabetikern aus Ex-Jugoslawien im Wiener AKH und in einer Klinik in Banja Luka in Bosnien. Dabei zeigte sich, dass die am AKH betreuten Patienten deutlich mehr Übergewicht und schlechtere Blutzuckerwerte (HbA1c-Wert im Blut) aufwiesen. Dafür ernährten sich die bosnischen Zuckerkranken gesünder, hatten aber wiederum eine schlechter Diabetes-Schulung.

Kein höhere Anteil an Suchtkranken

Ein anderes Thema stellen Abhängigkeit und Sucht dar. Robert Muhr, psychotherapeutischer Leiter beim Grünen Kreis in Wien, hat die Daten von 700 seit dem Jahr 2012 von der Organisation mittel- und langfristig betreuten Abhängigen ausgewertet. Fazit: Der Anteil der Suchtpatienten mit Migrationshintergrund in erster und zweiter Generation unter den Klienten ist nicht höher als ihr Anteil an der Wiener Bevölkerung sonst auch. Abhängigkeit kommt zu etwa gleichen Prozentsätzen vor. Allerdings könnte es sein, dass Menschen mit Migrationshintergrund, die schon lange in Wien leben und Angehörige der zweiten Generation häufiger von einer Suchtkrankheit betroffen sind. Auch das spricht für Einflüsse der Gesellschaft, in die sie hineingewachsen sind.

Beim Zugang zu Therapien zeigt sich laut Muhr dann deutlich die offenbar die sozial schlechtere Stellung von Menschen mit Migrationshintergrund und Abhängigkeit: Migranten der ersten Generation landen häufig zunächst in einem Gefängnis, um von dort in Therapie zu kommen. Dabei sollten Patienten mit Suchtkrankheiten doch via Gesundheitssystem den Weg zu einer Behandlung finden. Viele der Betroffenen haben psychische Traumata erlitten. Hier wirken sich offenbar frühkindliche psychische Verletzungen in der Familie in Österreich ähnlich aus wie Kriegs- und Gewalterlebnisse von Flüchtlingen. (APA, derStandard.at, 25.3.2015)