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Inferno in Griechenland.

Foto: EPA/PANAGIOTIS MOSCHANDREOU

Athen/Wien – Mit der Ernennung von Alexis Tsipras zum Premierminister ist auch im griechischen Fußball eine neue Ära angebrochen. Tsipras, selbst Anhänger des 20-maligen Meisters Panathinaikos Athen, will eine Reform durchsetzen. Am Mittwoch hat die Regierung eine Liga-Unterbrechung auf unbestimmte Zeit beschlossen.

Den drastischen Schritt ausgelöst hat laut dem griechischen Fußballjournalisten Manos Staramopoulos das Skandalspiel Panathinaikos Athen gegen Olympiakos Pyräus am vergangenen Sonntag. Olympiakos-Trainer Vitor Pereira wurde mit einem Sessel beworfen, Olympiakos-Spieler Pajtim Kasami von einem Böller an der Schulter erwischt, der Schweizer erlitt Brandverletzungen. "Es war ein Inferno", sagt Staramopoulos.

Tsipras hat sich intensiv mit dem griechischen Fußball befasst und schon in seinem Wahlkampf angekündigt, er wolle die alten Strukturen zerstören. Damit würde oder wird er sich viele Feinde machen. Ein Korruptionsnetz aus Klubchefs, Politikern, Medien und Wettanbietern beherrschte bis dato den Fußballalltag. Immer wieder gehen Klubs bankrott wie aktuell OFI Kreta oder Niki Volou, immer wieder wird der Krise 2009 die Schuld für die desaströsen Verhältnisse gegeben. Doch die meisten Probleme im griechischen Fußball, allen voran Hooliganismus und Korruption, wurzeln weit vor der Krise.

"Die dunkelste Seite der griechischen Fußballgeschichte"

Ein Paradebeispiel lieferte der Wettskandal Koriopolis im Jahr 2011, den der damalige Kulturminister Giorgos Nikitiadis "die dunkelste Seite der griechischen Fußballgeschichte" nannte. Wie herauskam, wurden 2009/10 mindestens 40 Spiele manipuliert. Es gab 68 Verdächtige, 130 Seiten Texte von abgehörten Telefonaten und zwei – freilich kleine – Klubs, die bestraft wurden: Niki Volou und Kavala, das in die vierte Liga verbannt wurde.

Die großen Klubs kamen ungeschoren davon. Dabei waren Evangelos Marinakis, Präsident von Rekordmeister Olympiakos Piräus (41 Titel), und sein Spieler Avraam Papadopoulos im Mittelpunkt der Untersuchungen gestanden. Zwar soll Marinakis laut abgehörten Telefonaten aus dem Jahr 2012 den Verbandschef, seinen engen Vertrauten Giorgios Sarris, angewiesen haben, bestimmte Schiedsrichter für bestimmte Spiele zu bestellen. Doch ein strafbares Delikt konnte Marinakis nicht nachgewiesen werden, und die Untersuchung von Chefermittler Aristidis Koreas verlief spätestens dann im Sande, als er im Oktober 2014 seines Postens enthoben wurde.

Zehn Sporttageszeitungen

Die Verflechtung des griechischen Fußball mit Politik, Wirtschaft und Medien ist einzigartig. In Griechenland (10,8 Millionen Einwohner) gibt es sage und schreibe zehn Sporttageszeitungen. Nur zwei von ihnen trauten sich, eingehend über Marinakis zu berichten. So fand es kaum ein Echo, dass der Athener Strafgerichtshof abgehörte Telefonate als Beweismittel zuließ.

Die meisten hielten still. Erstens wegen des Naheverhältnisses, das Olympiakos zu den meisten Tageszeitungen pflegt, zweitens aus Angst. Der Journalist Aris Asvestas wurde nach einem Bericht über die Lage brutal zusammengeschlagen, auch das Beispiel eines Schiedsrichters ist ein warnendes. Nachdem Petro Konstantineas, wie er zu Protokoll gab, trotz Anrufen aus der Verbandszentrale nicht bereit war, das Spiel Xanthi gegen Olympiakos zu manipulieren, wurde seine Bäckerei von Unbekannten in die Luft gesprengt. Ein anderer Referee klagte über Morddrohungen.

Pars pro toto

Die kriminellen Aktivitäten bekamen immer wieder politische Deckung, zwischen Politik und Fußball herrschte ein reges Hin und Her. Marinakis kandidierte im Mai 2014 in Piräus für einen Stadtratposten und siegte auch hier auf Anhieb.

Die Marinakis nahestehenden Zeitungen brachten der früheren rechtskonservativen Regierung Samaras oft Sympathie entgegen, auch das erklärt, warum Tsipras das Machtgebilde von Marinakis zerstören will. Einen Mitstreiter scheint er im rechtspopulistischen Koalitionspartner Panos Kamenos gefunden zu haben. Der sagte: "Die griechischen Medien werden von Menschen kontrolliert, die vom Staat abhängen. Die Medien kontrollieren den Staat, und der Staat kontrolliert die Medien." Für den Fußball gilt ganz Ähnliches, er steht quasi als pars pro toto. Oder, wie der Grieche sagt, als Synekdoche. (Tamás Dénes, DER STANDARD, 27.2.2015)