Steht die SPÖ nun noch hinter ihrer Idee von Vermögenssteuern, oder hat sie eigentlich Vermögenszuwachssteuern im Auge, und ist mit einer Millionärssteuer nun dasselbe wie Ersteres gemeint oder eher wie Zweiteres oder überhaupt etwas ganz anderes? Und was ist nun mit der Reichensteuer? Klarheit darüber herrscht derzeit nur bei der ÖVP - sie ist in jedem Fall absolut dagegen. Ob nur bis nach der Wirtschaftskammerwahl, wie haltlose Optimisten hoffen, oder weil sie angesichts des Durcheinanders beim Koalitionspartner keinen Anlass sieht, von konservativer Prinzipientreue auch nur einen Millimeter abzurücken, muss sich jedenfalls vor dem 17. März zeigen. Wahrscheinlicher ist Letzteres. Weicht sie aber doch ein wenig ab, könnte das eher den Charakter eines Gnadenaktes gegenüber einem Regierungspartner haben, den man sich erhalten will, weil er sich in politischer Disziplin an einem aufgescheuchten Hühnerstall zu orientieren scheint.

Es ist unverständlich, dass eine Partei wie die SPÖ sich nicht von vornherein eine konzise Taktik für den zu erwartenden, weil doch naheliegenden Fall zurechtgelegt hat, dass eine neue, Selbstvertrauen markierende ÖVP-Führung nicht freudig Ja dazu sagen wird, das "Mehr netto vom brutto" von Vermögenden mitfinanzieren zu lassen. Stattdessen darf sich Werner Faymann wöchentlich nach dem Ministerrat vom Vizekanzler abschasseln lassen, während sich seine Partei eifrig an der Dekonstruktion des Bundeskanzlers beteiligt.

In dieser Situation wird immer offensichtlicher: Die ÖVP-Spitze will es wissen. Sie will wissen, wie weit die SPÖ für eine Durchsetzung ihrer Forderungen zu gehen bereit ist, und hat mit deren Preisgabe der Forderung nach Vermögenssteuern Erkenntnisse gewonnen, die sie nur bestärken können. Warum sollte sie etwas anderes sagen als "Wir werden keinem Kompromiss zustimmen", wenn der Verhandlungspartner seine Bastion beim ersten schärferen Gegenwind räumt? Und die ÖVP will wissen, wie weit sich die SPÖ im Kampf um eine Steuerreform hinter ihren Vorsitzenden stellt oder ob sie bei einem Scheitern der Reform im Falle von Neuwahlen mit einem anderen SP-Spitzenkandidaten zu rechnen hätte.

Lange kann sich die SPÖ um die Antworten darauf nicht mehr drücken. Ihr Interesse an einer, aber auch ihre Verantwortung für eine Steuerreform, die unteren Einkommensbeziehern eine spürbare Entlastung bringen soll, ist größer, sie wird sowohl als Kanzlerpartei als auch als Vertreterin von Arbeitnehmern und Pensionisten, soweit sie diese nicht schon an die FPÖ verloren hat, am Ausmaß dieser Entlastung und an deren Finanzierung gemessen werden.

Aber nicht nur von den Wählerinnen und Wählern allgemein, sondern speziell auch von jenen ihrer Mitglieder und Funktionäre, denen vorauseilende Kompromissbereitschaft angesichts einer zunehmend aggressiver auftretenden ÖVP-Führung nicht erst seit dem Streit um die Steuerreform als Grundsatzschwäche erscheint. Irgendeinen Kompromiss zusammenzuschustern, um eine zunehmend ungeliebte Koalition zu retten, wird nicht reichen. (Günter Traxler, DER STANDARD, 27.2.2015)