Frauen und Politik, das ist auch im Zeitalter von Angela Merkel und Hillary Clinton noch ein Begriffspaar mit Seltenheitswert - zumindest in Österreich. Denn die wirklichen Machtjobs bleiben nach wie vor Männern vorbehalten. Es gab bisher keine Bundespräsidentin, keine Bundeskanzlerin, keine Parteiobfrau bei den Großparteien und keine Wiener Bürgermeisterin. Wenn Frauen in Ministerien, Landesregierungen oder Parlamenten Posten besetzen, dann vorwiegend solche, in denen sie "weiche" Themen wie Familie, Soziales, Pflege und Bildung behandeln.

EU-Abgeordnete Licia Ronzulli mit ihrem Kind bei der Abstimmung im Plenum.

Auch die imaginierten und realen Hürden, in die Politik zu gehen, sind für viele Frauen nach wie vor zu hoch. Und selbst wer sich dazu entschlossen hat, kann nicht sicher sein, auf einem wählbaren Platz zu stehen. "Solange Parteien davon überzeugt sind, dass man mit einer Frau als Spitzenkandidatin keine Wahl gewinnen kann, so lange wird man keine auf den ersten Listenplatz setzen", sagt die Politologin und Leiterin des Go-Governance-Instituts, Melanie Sully. Erst ab einer kritischen Masse von 30 Prozent würden Frauen als wichtiger und selbstverständlicher Bestandteil der Politik wahrgenommen werden, dem auch auf Augenhöhe begegnet wird.

Frauen und Korruption

Frauen würden nach wie vor die Konfrontationsduelle der Politik scheuen, einen anderen Stil bevorzugen. Das zeige sich beispielsweise auch darin, dass in den Parlamenten weniger Ordnungsrufe an Frauen gerichtet würden. Tendenziell sind es meistens Frauen, die bei Interviewanfragen oder öffentlichen Auftritten erst abwägen und dann möglicherweise absagen, wenn sie nichts zu sagen haben oder sich nicht vorbereiten können. Eine Mentalität, der Sully auch sehr viel Positives abgewinnen kann: "Die Politik profitiert letzten Endes davon, wenn es weniger inhaltslos zugeht."

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Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte bei Antritt ihres neuen Jobs auch gegen Klischeevorstellungen zu kämpfen.
Foto: Reuters/Bensch

Aus einem ähnlichen Verständnis heraus hat sich ein Forschungsprojekt der GRECO-Staaten (Group of States against Corruption) entwickelt, das die Zusammenhänge zwischen Korruption und Geschlecht erforschen soll. Anlass dafür war die Wirtschaftskrise in Island, die ihren Ausgang ab 2008 in Banken nahm, die von jungen Männern mit hoher Risikobereitschaft geführt wurden. Bei der Bewältigung der Krise setzte Island auch auf die Einbindung von Frauen. In ihren Annahmen gehen die Forscher davon aus, dass deren Beteiligung den nötigen Ausgleich schafft, also ein Gleichgewicht zwischen Risiko und Bremsen, und so weiteren Krisen vorgebeugt wird. Im Frühjahr dieses Jahres soll der Bericht auch Ergebnisse liefern, inwiefern die Partizipation von Frauen ein positiver Faktor bei der Korruptionsbekämpfung sein kann.

Strafen für niedrige Quote

Die Frage der Einhaltung von Frauenquoten bestimmt zwar nach wie vor den Diskurs in den österreichischen Parteien, anderswo geht man aber einen Schritt weiter. In Irland etwa verlieren Parteien, die nicht mindestens 30 Prozent Frauen auf ihren Listen stehen haben, 50 Prozent der staatlichen Parteienförderung. In wenigen Jahren soll der Mindestanteil noch weiter auf 40 Prozent erhöht werden - dann muss es 40 Prozent Kandidatinnen geben. In Großbritannien, wo die Parteienfinanzierung nicht so stark vom Staat abhängt, kein Modell, das wirkt. "Die Umsetzung funktioniert aber nicht nur mit Peitsche, sondern auch mit Zuckerbrot", sagt Sully. In Kroatien etwa bekommen die Parteien zehn Prozent mehr Förderung, wenn sie auch mehr Frauen auf die Liste setzen.

Abstimmen in der Karenz

In Dänemark ist man noch einen Schritt weiter. Hier wurden die Quoten in der Politik schon wieder abgeschafft, weil sie gar nicht mehr gebraucht werden. Doch bis es so weit war, begannen die Parteien freiwillig eine nach der anderen, Quoten einzuführen, weil sie ansonsten mit einer Bestrafung durch die Wähler rechneten, sollten Frauen unterrepräsentiert sein.

Weitere Hürden, die einer gleichen Repräsentanz von Männern und Frauen im politischen Leben noch entgegenstehen, betreffen die Vereinbarkeit von Familie und Politik. Wer in Österreich in Karenz geht, verliert derzeit sein Mandat im Nationalrat. In Schweden müssen Frauen im Parlament nicht mehr darauf verzichten. In Großbritannien wird nun ebenfalls überlegt, wie mit der Abwesenheit von Frauen während der Schwangerschaft oder Kinderbetreuung bestmöglich umgegangen werden soll. Die Ideen reichen von elektronischer Abgabe der Stimme bei wichtigen Abstimmungen bis hin zur Liveübertragung eines Redebeitrages per Skype.

Nicht verwunderlich ist auch, dass neben den Topjobs auch die Bürgermeisterposten nur zu ganz geringen Prozentsätzen (in Österreich sechs Prozent) von Frauen besetzt sind. "Als Bürgermeister ist man wirklich immer im Einsatz und wird persönlich für die Geschicke im Ort verantwortlich gemacht", erläutert Sully. Die 24-Stunden-Erreichbarkeit sei hier so stark wie nirgendwo anders gegeben. (Teresa Eder, derStandard.at, 27.2.2015)