Wien - Ein angebliches Mail des Wiener Rechtsanwalts Gabriel Lansky an OMV-Chef Gerhard Roiss sorgt für neue Spekulationen im Fall Alijew. In der Nachricht vom 27. Juni 2011 soll der Anwalt der Hinterbliebenen der mutmaßlichen Mordopfer Rachat Alijews Roiss aufgefordert haben, sich für die Strafverfolgung des kasachischen Ex-Botschafters starkzumachen, berichtete die "Presse" online am Donnerstag.

Am 16. Juni 2011 hatte die österreichische Justiz zum zweiten Mal die Auslieferung Alijews an Kasachstan wegen der dortigen Menschenrechtslage abgelehnt. Eine weitere Brüskierung Kasachstans durch "quasi demonstrative Untätigkeit der österreichischen Justizbehörden wäre sowohl international als auch von kasachischer Seite nicht nachvollziehbar und auch rechtsstaatlich mehr als problematisch", heißt es in dem der "Presse" vorliegenden Mail zehn Tage später. Anfang Juli 2011 nahmen die österreichischen Behörden Ermittlungen gegen Alijew wegen des Mordes an zwei kasachischen Bankmanagern und wegen Geldwäsche auf.

Strafverfolgung

Das Ziel der Mail gemäß "Presse": "Österreich müsse die Strafverfolgung übernehmen, sonst würden drastische Folgen drohen." Lansky wird weiter zitiert mit: "Nach uns derzeit vorliegenden Informationen steht sogar zu befürchten, dass in den nächsten zwei Tagen eine dramatische Eskalation insofern eintreten könnte, als die Republik Kasachstan nicht nur erwägt, den bilateralen Botschafter aus Österreich abzuziehen, sondern die diplomatischen Beziehungen zu Österreich gänzlich abzubrechen und auch andere Staaten zu einer solidarischen Haltung gegenüber Österreich zu bewegen." DasMail endet demnach mit: "Ich bitte Sie daher, dazu beizutragen, dass weiterer Schaden von der Republik abgewendet werden kann."

Die OMV bezieht Öl aus Kasachstan. Auch diese Abhängigkeit wird in dem Schreiben laut "Presse" thematisiert. Das wirtschaftliche Potenzial Kasachstans sei von besonderem Interesse für die österreichische Wirtschaft, Kasachstan dagegen sei "auf Österreich definitiv nicht angewiesen".

Das Mail wurde dem Bericht zufolge von Alijew Anfang Februar 2015 der Staatsanwaltschaft Wien vorgelegt. Ob es echt ist, wurde bisher noch nicht geklärt. Roiss habe auf Anfrage der "Presse" gesagt, er könne sich nicht mehr an das Schreiben erinnern und schließe zumindest für sich persönlich aus, darauf reagiert zu haben. Lansky hat demnach eine Prüfung des Dokuments angekündigt.

Konzern "auf inoffiziellem Wege" informiert

Um die Auslieferung Alijews zu bewirken, soll Kasachstan auch schon 2010 interveniert haben. Damals berichtete der "Kurier", der damalige kasachische Botschafter habe die Leitung der OMV "auf inoffiziellem Wege" informiert, dass "die Angelegenheiten der Investitionssicherheit direkt vom bevorstehenden Beschluss des österreichischen Justizministeriums" in der Causa Alijew abhängen würden. Der Diplomat bestritt die Vorwürfe.

Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) hatte bereits nach dem Ablehnen des ersten Auslieferungsantrags als Zeuge vor Gericht berichtet, dass österreichische Firmen in Kasachstan - darunter die OMV und die Voestalpine - "schikaniert" würden, weil sich Österreich die Auslieferung Alijews verweigere.

Der 52-jährige Alijew wurde am Dienstag erhängt in seiner Einzelzelle in der Wiener Justizanstalt Josefstadt aufgefunden, wo er wegen Mordverdachts in U-Haft saß. Der studierte Ökonom und Mediziner war der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, bei dem er wegen eines angeblichen Putschversuches in Ungnade fiel. In dem Fall um die zwei ermordeten Banker wurde Alijew (zwischenzeitlich: Shoraz) 2008 in Kasachstan in Abwesenheit bereits zu 20 Jahren Haft verurteilt. (APA, 26.2.2015)