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Auf diesem Archivfoto aus dem Jahr 2006 trägt Michael Schumacher eine Kappe. Bei seinem Unfall im Dezember 2013 war er mit Helm und Kamera unterwegs.

Foto: reuters/bianchi

Das erste Mal tauchte das Thema im vergangenen Frühjahr auf. Das Unternehmen Gore hatte zum "Alpine Quattrathlon", einem viertägigen Ausdauer-Outdoor-Spaß, geladen. Als wir Material für die Rennrad-Etappe ausfassten, kam von einem Event-Mitarbeiter ein kleines Sätzchen: Wir könnten Kameras überall montieren, "aber ja nicht am Helm". Denn, "eine Schumacher-Nummer" brauche keiner.

Als ich den Mann darauf ansprach, druckste er herum: Michael Schumacher habe bei seinem Skiunfall am 29. Dezember 2013 eine Kamera am Helm gehabt. Und während die Medien nur spekuliert hätten, was die Bilder über Hergang und -ursache aussagen könnten, hätten Helmhersteller eins und eins zusammen gezählt. Und einen naheliegenden Schluss gezogen. Es gehe um schlichte Physik: Hebelwirkung, Haltbarkeit von Kamerahalterungen — und das schwächste Glied einer Kette.

Ich möge ihn um Himmels willen nicht zitieren: Niemand wisse, ob Schumacher sich seine Kopfverletzungen nicht auch ohne Helm-Cam zugezogen hätte. Dennoch: keine Helmkameras. Bitte. Danke.

Foto: THomas Rottenberg

Es dauerte bis in den Herbst, dass die Geschichte wieder hochkochte. Der Motorjournalist Jean-Louis Moncet erwähnte da in einem Radiointerview auf Europe 1 die Halterung der Helmkamera: "Das Problem war nicht der Aufprall, sondern die Halterung der GoPro-Kamera", zitierten ihn Online-Medien. Fakten legte Moncet keine vor.

Ein paar Medien stiegen auf. Kurz. Man sagte "Gerücht" – und sparte nicht mit Fragezeichen: GoPro-Actioncams waren (und sind) das Outdoor-Gadget der Stunde. Das Weihnachtsgeschäft war im Anlaufen. Fakten oder Beweise gab (und gibt) es nicht. Trotzdem brach der Kurs der GoPro-Aktie kurzfristig ein.

Die Kamera auf dem Helm montiert –Hersteller übernehmen dann keine Garantien mehr.
Foto: THomas Rottenberg

Ende Jänner 2015 war ich dann in Davos. Der Helmhersteller Uvex hatte – gemeinsam mit Blizzard, Tecnica und Columbia – zum "Preview on Snow" geladen. Man zeigte Ski, Outfits, Schuhe und Skibrillen der Saison 2015/16. Und Helme der nächsten Generation: Das Modell "Jakk+", erklärte man uns, verfüge über ein innovatives Passform-Feature namens "octo+".

Es schmiege seine Arme von oben elegant und passgenau an den Kopf des Trägers. Tatsächlich (ich habe einen Schädel, der mit fast jedem Helm kann) erklärten Kollegen, deren Kopfformen nicht immer 100 Prozent helmtauglich sind, dass die "octo+"-Pads sich grudlegend anders und spürbar besser als bisher erlebt an den Kopf schmiegten. (Dafür konnte man dank meiner "Frisur" nach dem Abnehmen des Helmes längere Zeit gut sehen, wo die "Tentakel" sich angeschmiegt hatten …).

Foto: Thomas Rottenberg

Der Jakk+ verfügt darüber hinaus über ein schlaues Belüftungssystem, das auch das Beschlagen von Skibrillen verhindern helfen soll – und sei aufgrund einer speziellen Spritzgusstechnik trotz seiner Leichtigkeit deutlich widerstandsfähiger als andere Modelle.

Wir dürften, sagten die Uvex-Leute, mit den Helmen so ziemlich alles tun. Nur eines nicht: "Keine Helmkameras." Warum? Sobald man darüber nachdenkt, ist es eigentlich eh logisch: Helme sollen Schläge nicht nur abfangen, sondern "feindliche" Kräfte auch möglichst wirkungslos abgleiten lassen. Kanten oder andere vorstehende Elementen tun das Gegenteil.

Ich filme mittlerweile meistens nur noch aus aus der Hand. Aber in jedem Fall nicht mehr vom Helm aus. Prompt kommen bei diversen Filmchen Kommentare/Mails/Postings, ich möge mir doch eine Helmkamera zulegen …
Thomas Rottenberg

Doch an den Gesetzen der Hebelwirkung kommt keiner vorbei: Als Hebel-Ansatzpunkt reicht mitunter schon die kameralose Cam-Halterung. Und mit Kamera? "Kraft mal Kraftarm gleich Last mal Lastarm." Der Uvex-Mann erklärte: "Die Halterungen halten fest. Bombenfest." Im besten Fall breche ein kleines Stück aus dem Helm. Im nicht ganz besten Fall zerbricht die Helmschale. Mitten im Sturz. Im blödesten tut die Helmschale aber genau das, wofür sie gemacht und zertifiziert wurde: Sie hält. Die resultierende Kraft wirkt dann anderswo. An der schwächsten Stelle. Etwa der Halswirbelsäule: Physik. Hebelwirkung. Kraft mal Kraftarm …

Irgendjemand hatte eine Frage. In der kam Schumacher vor. Dazu könne und werde er nichts sagen, sagte der Uvex-Mann. Dennoch gelte: "Sobald du eine Halterung auf den Helm klebst, sind sämtliche Zertifizierungen und Garantien hinfällig. Nicht nur bei uns. Bei jedem Helm."

Der Uvex-Jakk+-Helm kommt kommenden Herbst auf den Markt. Der Verkaufspreis wird um die 190 Euro betragen.
Foto: Uvex

(Thomas Rottenberg, derStandard.at, 1.3.2015)