Ernst Vettoris Humor ist eher ein stiller. Dröhnende Fröhlichkeit ist dem Sportchef der österreichischen Skispringer und Kombinierer fremd, wenngleich der Olympionike als ehemaliger nordischer Marketingchef des Skiverbandes schon weiß, dass dem Sponsor zu geben ist, was des Sponsors ist - also Bieranstich mit den Medaillengewinnern, Fotos, Interviews, Schulter hinhalten zum Klopfen. Ernst Vettori war in dieser Situation professionell, er war aber vor allem erleichtert, dass der drittletzte Tag der vierten WM in Falun fast alles zum Guten gewendet hat für Österreichs Mannschaft. "Was jetzt noch kommt, ist Draufgabe. Die Ziele sind erreicht."
Die Statistik - erstes Einzelgold in der Kombination überhaupt, die erste goldlose WM seit 1993 abgewendet - ist da eher nebensächlich. "Es ist so wichtig, auch wegen der Budgets", sagte der 50-Jährige. Seine Sparten, vor allem die Kombination, haben sich zu behaupten innerhalb des Verbandes, dessen Spitze am Tag des Triumphes fast vollzählig anwesend war in Schweden - Präsident Peter Schröcksnadel, sein Vize Toni Leikam, Generalsekretär Klaus Leistner, Sportdirektor Hans Pum. Man wird sich dem nordischen Begehren nicht verschließen können, wenn es um die Verteilung des Geldkuchens geht, von dem die Alpinen, ihrem Marktwert entsprechend, stets das größte Stück bekommen.
Kein Stress
Im Gegensatz zur vorhergegangenen WM in Val di Fiemme besteht für Vettori nicht sofort Handlungsbedarf. Die Nordischen stehen vor einer Zwischensaison, die Heim-WM im Skifliegen am Kulm ist 2016 schon der Höhepunkt.
Die Skispringer haben in Heinz Kuttin einen unumstrittenen Cheftrainer, dem seine Athleten am Samstag noch eine Mannschaftsmedaille besorgen wollen. Gregor Schlierenzauer (25), der Kuttin von der Großschanze mit der Silbernen viel Druck genommen und sich selbst ein wenig freigesprungen hat - "Ich habe für mich das kleine Aha-Erlebnis gefunden. Da weiß ich, es funktioniert, es ist effektiv" -, übernahm quasi das Cheerleading.
Stefan Kraft, immerhin Fünfter, sei ohnehin locker und auf Wolke sieben schwebend, Michael Hayböck habe an ihm gesehen, "dass man den Turnaround von Sprung zu Sprung schaffen kann" und Manuel Poppinger, für das Großschanzenfinale nicht qualifiziert, habe sein Lehrgeld jetzt bezahlt. "Die Stimmung ist gut, und wir müssen das jetzt durchziehen", sagte Schlierenzauer. Es geht auch um eine Serie. Seit 2005 hat Österreich bei Weltmeisterschaften alle Skisprungmannschaftsbewerb gewonnen - sieben Stück en suite.
Kombinierer spekulieren noch auf eine Medaille
Auch die Kombinierer haben am Samstag noch eine Chance. Weltmeister Bernhard Gruber hat im Teamsprint (wie im Großschanzenbewerb) Silber zu verteidigen - eigentlich mit Wilhelm Denifl, den aber Sepp Schneider ersetzt. Coach Christoph Eugen würde sich hüten, eine Prognose abzugeben. "Ihm ist immer alles zuzutrauen." Zwischen himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt sei der 32-jährige Gruber, "zwischen Genie und Wahnsinn".
Gruber hat Eugen ein wenig aus der Schusslinie genommen. Der Steirer, vor allem aber sein Tiroler Sprungtrainer Falko Krismayr gelten als Wackelkandidaten. Eine Rolle spielt da auch noch der Trainingsunfall des Nachwuchskombinierers Marco Beikircher zu Saisonbeginn in Kuusamo. Der 19-Jährige war über einen in der Anlaufspur der Schanze vergessenen Sperrbalken gestürzt, hatte sich einen Halswirbelbruch und Bänderverletzungen im Daumen zugezogen. Der Salzburger ist inzwischen wieder so weit hergestellt, aber die Aufarbeitung des haarsträubenden Vorfalls ist noch nicht abgeschlossen.
Und an inhaltlicher Kritik an der Arbeit des Kombinationsteams hat es bis zu Grubers Triumph auch nicht gefehlt. Als möglicher Reformator wird immer wieder der ehemalige, äußerst erfolgreiche Chefcoach Günther Chromecek genannt. Als Trainer des C-Kaders hat der neben Marco Beikircher auch Heinz Kuttins Sohn Phillipp unter den Fittichen. (Sigi Lützow aus Falun, DER STANDARD, 28.2.2015)