Wien - Der Regen fällt in kleinen Tropfen leise zu Boden. Nur alle paar Minuten fährt langsam ein Auto vorbei. Die Bäume sind im Februar noch kahl, trotzdem verändern die wenigen, die in der Kleistgasse stehen, den Grätzelcharakter zum Positiven, sagt Isolde von Mersi.

Die 60-jährige Südtirolerin wohnt seit zehn Jahren im Fasanviertel in Wien-Landstraße - angeblich nach dem ehemaligen Wirtshaus "Zum Fasandl" getauft. Zwischen der Schnellbahntrasse, dem Landstraßer Gürtel und der Jacquingasse erstreckt sich das stille Wohnviertel - vergessen von der Welt? Es sei ausgestorben, bestehe nur noch aus leer stehenden Geschäftslokalen, wird beklagt.

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Isolde von Mersi sieht das anders: "Wir haben hier alles", von teuren Dachgeschoßlofts, die von SUV-Fahrern bewohnt werden, über Mittelstand bis zu vernachlässigten Erdgeschoßen, eingeschlagenen Scheiben, Hausmauern, an denen Hunde ihr Geschäft verrichten, erzählt sie.

Tatsächlich fallen neben Schildern, die daran erinnern sollen, dass Hauseingänge keine Vierbeiner-WCs sind, vor allem die zugezogenen Rollbalken auf - bei vielen ist die Farbe vor langer Zeit abgeblättert. "Hinter den Rollläden tut sich aber mehr, als man glaubt", sagt Mersi. Sie sei überrascht gewesen, was sie bei den Spaziergängen mit ihrem Hund, der den Spitznamen Vasco, der Gammler trägt, entdeckt habe.

Maria von Usslar

Hinter der vergilbten Aufschrift "Kaffee-Rösterei" teilen sich ein Silberschmied und ein Maler ein Atelier. Eine Harfenistin versteckt ihren Proberaum hinter den Jalousien eines Schaufensters. "Blumen" steht in altmodischen Lettern auf der Fassade eines Ecklokals - in der verhüllten Auslage befindet sich ein Ferienappartment. Mersi erzählt von einer Olivenholzwerkstatt, Architekturbüros und Schmuckdesignern: Sie lassen die Rollbalken unten, weil sie ungestört bleiben wollen, aber auch aus Sorge vor Gentrifizierung, wenn offenkundig würde, dass die Gegend Künstler anzieht.

Schon jetzt verlangten manche Hauseigentümer horrende Mietpreise, sagt Mersi - deshalb gebe es auch viel Leerstand. Vor allem Gastrobetreiber und Einzelhändler hätten es schwer: "Wer auf Laufkundschaft angewiesen ist, kann hier nicht überleben." Erdgeschoßobjekte stünden aber auch leer, wenn Eigentümer einen Dachgeschoßausbau planen und dann laut Stellplatzverordnung Garagen errichten lassen.

Maria von Usslar

Die Bemühungen um Wiederbelebung sind im Fasanviertel nicht zu übersehen: "Urban Knitting", also gestrickte Straßendeko, ziert die Kleistgasse. Kinderhände bemalten Teile der Schnellbahntrasse mit großen bunten Fasanen. Die Gebietsbetreuung sei sehr engagiert, meint Mersi.

Doch nicht nur im Bezirk ist die Frage nach Leerstand und toten Erdgeschoßzonen Thema. Die Stadt legte schon im Regierungsprogramm 2010 fest, eine Agentur für Zwischennutzung gründen zu wollen, die etwa Start-up-Firmen und Leerstandsbesitzer vernetzen soll. Die IG Kultur fordert unter anderem Leerstandsbesteuerung. Die Neos Wien beschäftigt das Thema ebenfalls. Die Stadt müsse Infrastruktur zur Belebung für Bürgerinitiativen, Kreative und Jungunternehmer bereitstellen, sagt Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger. Sie plädiert auch dafür, die Stellplatzverordnung in den Innenbezirken abzuschaffen, und Öffnungszeiten, bei Geschäftsflächen bis 200 m², frei gestalten zu dürfen. (Christa Minkin, DER STANDARD, 28.2.2015)