Die Wahlplakate hängen schon. Besonders groß und prominent sind jene der Koalition "Fi Hubb Masr" (Für die Liebe Ägyptens), die von einem früheren Generalmajor des Geheimdienstes zusammengestellt wurde. Seit Sonntag ist allerdings völlig unklar, wie lang sie noch hängen werden. Das Verfassungsgericht hat den Wahlkalender, der den Start der Parlamentswahl auf 21. März festgelegt hatte, über den Haufen geworfen.

Es entschied, dass die Einteilung der Wahlkreise nicht mit der Verfassung übereinstimmt. Die Wahlkommission war daher gezwungen, den Prozess zu stoppen. Sie erklärte, man werde einen neuen Wahlkalender ausarbeiten.

Sisi will "schnelle Korrektur"

Prompt reagierte Präsident Abdelfattah al-Sisi, der sich auf dem Weg zu einem Besuch in Saudi-Arabien befand. Er betonte, die Vorgaben der Richter müssten eingehalten werden, und wies die zuständigen Organe an, beanstandete Paragrafen innerhalb eines Monats richtigzustellen. Die ebenfalls angefochtene Aufteilung der Mandate hat das Verfassungsgericht unangetastet gelassen - 420 werden damit beim Votum in Einerwahlkreisen und nur 120 über Parteilisten vergeben.

Seit 2012 wird Ägypten ohne Volksvertretung regiert. Damals wurde auch das erste nach der Revolution vom Jänner 2011 gewählte Parlament vom Verfassungsgericht aufgelöst. Die gesetzgebende Gewalt liegt in den Händen von Präsident Sisi, der im Schnitt fast täglich ein Dekret erlässt. Mit der Wahl sollte der Fahrplan abgeschlossen werden, den Sisi bei der Entmachtung der Muslimbrüder im Sommer 2013 verkündet hatte. Die Regierung wollte die Rückkehr zu demokratischen Institutionen so gestalten, dass bis zur großen Investorenkonferenz Mitte März in Sharm el-Sheikh alle Zweifel ausgeräumt sind. Nun werde versucht, vor dem Gipfel zumindest den neuen Wahlkalender publik zu machen, erklärte am Sonntag Sameh Seif al-Yazal, der Koordinator von Fi Hubb Masr.

Der Richterspruch vom Sonntag kommt nicht überraschend. Viele Juristen hatten gewarnt, dass einzelne Bestimmungen der Wahlgesetze nicht haltbar seien. Mehrere kleine Parteien hatten einen Boykott beschlossen. Prominente Politiker übten scharfe Kritik an der Unfähigkeit, korrekte Gesetze zu erlassen. Im Großteil der Bevölkerung hält sich die Aufregung in Grenzen. Das Interesse an Politik ist gering, es zählt vor allem die wirtschaftliche Entwicklung.

Diese wollte Präsident Sisi auch bei seinem Besuch in Saudi-Arabien ansprechen. Das Land hatte Ägypten nach dem Umsturz von 2013 umfangreiche finanzielle Unterstützung geleistet. Eigentliches Thema seines Treffens mit dem neuen König Salman waren aber die politischen Entwicklungen in der Region. Anders als sein Vorgänger Abdullah sucht Salman einen stärkeren Ausgleich zu den Muslimbrüdern. Am heutigen Montag wurde der türkische Staatschef Tayyip Erdogan, der den Muslimbrüdern nahesteht, in Riad erwartet. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 2.3.2015)