In den USA gibt es eine Masernepidemie; in Deutschland ist ein Kleinkind an Masern gestorben. Masern könnten bereits ausgerottet sein. Dass es nicht so ist, liegt auch daran, dass Menschen "impfmüder" werden.

Das Wort ist allerdings nicht wirklich zutreffend. Wenn man davon ausgeht, dass die anderen für die Durchimpfung ihrer Nachkommenschaft und damit für die Restbevölkerung schon sorgen werden, ist man nicht müde, sondern berechnend. Wenn man davon ausgeht, dass eine gewaltige Verschwörung hinter der Impfempfehlung steht - interessanterweise wird eine solche bei Homöopathie nie befürchtet - und kein noch so stichhaltiges Argument diese Überzeugung erschüttern kann, ist man nicht müde, sondern realitätsfremd. Oder man hat Angst: Impfschäden sind zwar sehr selten, aber möglich. Masernpartys setzen das Kind jedoch einem ungleich höheren Risiko der Komplikation aus.

Zwischen Panikmache und Information gibt es viele Schattierungen. Das gilt für Pharmafirmen und ihre Gegner. Eine einzige - später zurückgezogene - Studie, die Autismus im Zusammenhang mit Masernimpfstoff brachte, dient bis heute als Pseudoargument.

Im Luxus der niedrigen Kindersterblichkeit wird man unvorsichtig. Es war früher natürlich, dass viele Kinder an Kinderkrankheiten verstorben sind - trotz der hochgepriesenen natürlichen Selbstheilungskräfte. Dieser Realität könnte man wieder ins Auge blicken müssen. (Julya Rabinowich, DER STANDARD, 2.3.2015)