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Foto: AP / Natacha Pisarenko

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... und Devotionalien. Vielen im Land bleibt Uruguays Präsident Pepe Mujica in guter Erinnerung. Nicht alle Versprechen konnte er aber auch umsetzen.

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Montevideo/Puebla - Für Imageberater dürfte ein Alptraum ungefähr so aussehen wie José Mujica, genannt "Pepe": 79 Jahre, ungekämmt, Strickpullis mit Lederflicken an den Ellenbogen, und am liebsten lässt er sich auf einem alten Plastikstuhl neben seiner dreibeinigen Hündin fotografieren.

Dann sagt er auch noch so altmodische Sachen wie "Leute, die aufs Geld scharf sind, müssten aus der Politik verbannt werden". Über den berühmtesten Blumenzüchter der Welt dreht Emir Kusturica gerade einen Film, und es gibt auch schon eine Smartphone-App mit Best-of-Zitaten des ungewöhnlichen Politikers.

Vor dem rüden Charme des Ex-Guerillero kapitulierte selbst die liberale Zeitschrift Economist: Sie krönte den "Philosophen der Demokratie" zum "Mann des Jahres". Auf der ganzen Welt heimst er stehende Ovationen ein - selbst von Jugendlichen, deren Ur-Opa er sein könnte.

"Verbale Inkontinenz"

Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses Waldschrats, dessen Amtszeit am Sonntag zu Ende ging? In Zeiten, in denen Politiker von ihren Beratern glattgeschliffen werden, wirkt Mujica erfrischend anders und authentisch. "Er ist tolerant, intuitiv, so etwas wie ein moderner Schamane, aber er leidet unter verbaler Inkontinenz", charakterisiert ihn der Journalist Carlos Montero. Im Grunde ist er einer von drei Millionen Uruguayern, die stolz sind, in einem Mittelschicht-Land zu leben.

Prahlerei und Egoismus sind verpönt. Gleichheit ist das Mantra. Anfangs war Mujica irritiert angesichts der vielen Interviewfragen aus dem Ausland, die sich nur um seinen Lebensstil drehten. Mittlerweile genießt er es, dass die halbe Welt weiß, dass er einen Großteil seines Gehalts spendet, dass er weiterhin auf seinem bescheidenen Hof lebt statt im Präsidentenpalast und einen 27 Jahre alten, hellblauen Käfer fährt.

Damit konfrontiert er den Zeitgeist - ähnlich wie Papst Franziskus aus dem Nachbarland Argentinien, der den atheistischen Mujica einen "weisen Mann" nannte. Umgeben vom Konsumrausch der Wegwerfgesellschaft setzt Mujica auf Bescheidenheit. Und auch dem Jugendwahn kann er nichts abgewinnen. Diplomatische Wendungen sind ihm fremd. Uruguay sei verseucht von Anwälten, Notaren und Ökonomen, sagte er einmal - was ihm prompt eine Beleidigungsklage einbrachte. Niemals trägt er Krawatten, und manchmal rutscht er ins Vulgäre ab, etwa wenn er die Fifa-Bonzen als "Hurensöhne" bezeichnet, weil sie den beißwütigen Fußballstar Luis Suárez bei der WM sperrten.

Magnet für Investoren

Von Konventionen, Ideologien oder Gutmenschen lässt sich der Freidenker nicht vereinnahmen. Als ihn vor einigen Wochen auf der Buchmesse im mexikanischen Guadalajara ein Linksaktivist unterbrach und die kürzlich verschleppten 42 Lehramtsstudenten "lebend" zurückforderte, entgegnete Mujica trocken: "Selbst wenn ihr sie findet, fehlen noch 20.000 andere." Er pflegt die marxistische Rhetorik, hat aber gleichzeitig haufenweise Investoren ins Land geholt. Das macht ihn für liberale Geister salonfein.

Spätestens hier taucht die Frage auf, ob seine Politik der Rhetorik standhält. Da haben viele Uruguayer Zweifel. "Vieles, was er sagt, ist richtig, aber umgesetzt hat er wenig in seiner Amtszeit", sagt Montero. Mit der Homo-Ehe, der Legalisierung der Abtreibung und der staatlichen Regulierung von Marihuana machte er international Schlagzeilen. Zu Hause ist die Drogenlegalisierung allerdings umstritten. Umweltschützer verärgerte er mit Bergbauprojekten und Baum-Monokulturen für neue Zellulosefabriken. Ein Gesetz zur Besteuerung von Landbesitz wurde für verfassungswidrig erklärt. Die Kriminalität nahm zu, und ein Korruptionsskandal erschütterte die inzwischen aufgelöste Fluglinie Pluna. Die Bildungsreform scheiterte, ebenso das soziale Wohnbauprogramm.

Selbst seinen Lebensstil beschmunzeln immer mehr als Marotte. "Mujica war cool, als das Land in der Krise steckte und Politiker möglichst bescheiden zu sein hatten", sagt der Politologe Daniel Chasquetti. "Inzwischen geht es aufwärts, und die Uruguayer möchten das genießen. Jetzt steckt Europa in der Krise, und deshalb ist Pepe dort so beliebt." (Sandra Weiss, DER STANDARD, 2.3.2015)