Soziologin Edit Schlaffer (Zweite v. li.) mit den Frauen, die derzeit schon in Indien und Pakistan Mütterschulen betreiben, sowie Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Sozialminister Hundstorfer.

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Edit Schlaffers Organisation Frauen ohne Grenzen wird nun auch in Österreich sogenannte "Mütterschulen" eröffnen, die Frauen dabei helfen soll, präventiv die Kommunikation mit ihren Kindern zu verbessern, um sie vor dem Abgleiten in den Extremismus zu bewahren. "Wir bringen dieses Modell von den Ländern, die von Terrorismus stark betroffen sind, jetzt in den Westen", sagte Schlaffer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Sozial- und Bildungsministerium und betonte gleichzeitig: "Wir sprechen nicht Mütter von Jihadisten an, wir sprechen besorgte Mütter – und auch Väter – an."

Derzeit würde die "Rekrutierung" vor allem über Elternabende an Wiener Schulen in sozialen Brennpunkten passieren. Die erste Gruppe mit 15 Teilnehmerinnen wird von einer Betroffenen, die selbst ihren Sohn verloren hat, geleitet. In weiterer Folge könnte das Projekt, das vom Sozial- und Bildungsministerium finanziell unterstützt wird, auch auf Väter und andere Bundesländer ausgedehnt werden. Auf die Frage, wieso erst jetzt die Notwendigkeit für Prävention in Österreich erkannt werde, sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer, dass sich nach den Anschlägen in Paris und Kopenhagen eine Dynamik dahingehend entwickelt hätte.

Pakistan: Mütter ohne Autorität

In Nigeria, Indien, Pakistan oder Indonesien sind die Mütterschulen teilweise schon seit 2012 etabliert, um Deradikalisierungsstrategien mit den Müttern zu erarbeiten. "Wir haben oft solche Angst vor den Kindern, dass wir gar nicht mehr mit ihnen kommunizieren", so Archana Kapoor, die selbst in Indien Mütterschulen leitet. Vielfach diene der Austausch dazu, Müttern, die ansonsten in vielen der Gesellschaften nicht beachtet werden, eine Stimme zu verleihen und ihnen das Selbstvertrauen zu geben, dass sie selbst Einfluss auf ihre Söhne und Töchter und deren Weg haben können.

Tasneem Ahmar, Leiterin einer Mütterschule in Islamabad, verweist auf die Ungleichstellung der Geschlechter in Pakistan: "Mädchen werden sehr stark beschützt und überwacht, für Jungen gilt das nicht." Als Autorität wahrgenommen zu werden sei für Mütter dementsprechend schwierig. "Ein Sohn hat beispielsweise seine Mutter nicht einmal angehört, mit dem Argument, dass er derjenige sei, der zur Schule gehe", berichtete Tasneem Ahmar. Durch die Mütterschule habe es diese Frau aber geschafft, wieder einen Zugang zu ihrem Sohn zu finden, indem sie ihm nun auch argumentativ etwas entgegnen kann.

In Nigeria gebe es derzeit einen enormen Zulauf an den Mütterschulen. Aufgrund der prekären Sicherheitslage durch Boko Haram sei jedoch derzeit besondere Vorsicht geboten. Zwar sei die Sensibilisierung von Müttern gegen Extremismus nur ein kleiner Schritt, doch der Multiplikatoreffekt weitreichend: "Viele Frauen haben eine Scheu davor, sich in Themen wie Religion und Politik einzumischen. Dabei haben sie über die Familien doch einen immensen Einfluss", ist Schlaffer überzeugt. (tee, derStandard.at, 2.3.2015)