Liebe Mütter,

wann genau habt ihr begonnen, aus der Elternschaft einen Lifestyle-Kult zu machen? Und wann habt ihr das Vertrauen in eurer Gefühl und euren gesunden Menschenverstand verloren?

Unzählige Blogs dokumentieren jeden einzelnen Tag und jeden einzelnen Aspekt der Mutterschaft: Kinderwunschblogs, Schwangerschaftstagebücher, die Dokumentation des Babyalltags. Dazu kommen Foren, Elternratgeber(seiten), Hebammensprechstunden online und meterweise Erziehungsratgeber. Und überall werden erbitterte ideologische Kämpfe geführt, alles wird bis ins absurdeste Detail analysiert: Was darf/soll/muss ich in der Schwangerschaft essen? Welche Geburtsmethode wird bei meinem Kind und mir ein lebenslanges Trauma hervorrufen und welche garantiert eine großartige Mutter-Kind Beziehung? Stillen nach Bedarf oder Stillen alle drei Stunden, auch wenn man dafür das Baby wecken muss? Stoffwindel oder gleich windelfrei, schreien lassen oder in den Schlaf stillen? Das ist nur eine winzige Auswahl der Fragen, um die sich Mütterkriege drehen.

Selbstdarstellung und Ratlosigkeit

Es ist verständlich, dass in der Zeit digitaler Selbstdarstellung der wichtige Lebensaspekt "Elternschaft" nicht ausgespart bleibt. Und es ist auch nachvollziehbar, dass anders als in den Zeiten der Großfamilien die ratschlaggebende und aushelfende Gemeinschaft fehlt und teilweise eben im Netz gefunden wird. Doch die meisten Ratschläge, die Debatten und die inszenierte Mutterschaft in den Lifestyle-Blogs verunsichern lediglich.

Wer braucht perfekt dekorierte, perfekt temperierte Kinderzimmer, eingerichtet nach den neuesten Instagram-Inspirationen, vollgefüllt mit Holzspielzeug nach Montessori? Wieso soll es erstrebenswert sein, das Baby in einem minutengenauen Rhythmus zu stillen und es (gar mit fragwürdigen Methoden) schon nach wenigen Lebenswochen zum Durchschlafen zu bringen?

Programm, Baby!

Das Kinderbekommen und -großziehen hat längst jede Selbstverständlichkeit verloren. Die Leichtigkeit scheint uns ganz abhandengekommen zu sein. Stattdessen ist Programm gefragt: Babyschwimmen, PEKiP, musikalische Früherziehung, Zeichensprache. Die Unsicherheit und das mangelnde Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Instinkte, gepaart mit Perfektionsanspruch, nähren eine ganze Babyindustrie.

Liebe Mütter, holt euch das Spielerische, die Leichtigkeit, den Humor wieder zurück! Und zwar jenseits inszenierter Lifestyle-Blogs. Und wenn ihr schon eine Frage an Google habt, dann schnell vergewissern, dass frau nicht die einzige Ratlose ist, und dann schnell wegklicken. Der einzige Rat, den ich beherzt habe und weitergeben möchte: Hör nicht auf Ratschläge, probier und finde raus, was für dich und dein Kind das Beste ist. (Olivera Stajić, 3.3.2015, daStandard.at)