Wien – Besser ließe sich die allgemeine Lage nicht illustrieren: AMS-Chef Johannes Kopf lädt zum Gespräch in Sachen Gleichstellung am Arbeitsmarkt. Die versammelte Zuhörerschaft ist weiblich. Die Symbolkraft ist nicht zu verleugnen, gibt auch Kopf zu. Doch auch die harten Daten belegen es: Frauen und Männer sind am Arbeitsmarkt noch lange nicht gleichgestellt, wie ein vom Wifo für das AMS erarbeiteter Gleichstellungsindex zeigt. Anhand von 30 Indikatoren und 14 Datenquellen aus dem Jahr 2013 wurden verschiedene Teilbereiche des Themas subsumiert. Demnach erreichen Frauen 71 Prozent der Männerwerte (100 Prozent würde völlige Gleichstellung bedeuten, Anm.).

Herangezogen wurden für den Index so unterschiedliche Bereiche wie Arbeit (berufliche Position, Arbeitslosigkeit, Arbeitszeit), Einkommen, Bildung, Familie (Karenz, Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, Einkommen nach der Karenz). "Die Hoffnung, dass sich Gleichheit ganz von alleine einstellt, wenn Frauen besser gebildet sind, hat sich nicht erfüllt", sagt Studienautorin Julia Bock-Schappelwein vom Wifo. Frauen erreichen mit 118 Prozent überdurchschnittliche Werte in Sachen Bildung und Weiterbildung, beim Einkommen schlägt sich das aber nicht nieder.

Ein Umstand, den auch die aktuellen Eurostat-Daten untermalen. Frauen verdienten 2013 in der EU durchschnittlich um 16,4 Prozent weniger als Männer. Das Lohngefälle war dabei unter den 28 EU-Staaten in Slowenien mit einer Differenz von nur 3,2 Prozent am geringsten, in Österreich mit 23,0 Prozent am zweithöchsten nach Estland (29,9 Prozent).

Der Trend zeichnet sich laut Bock-Schappelwein bereits beim Einstieg ins Berufsleben ab: "Frauen starten mit niedrigeren Gehältern als Männern." Diese Kluft könne sich bis zum Ende der Berufskarriere auch nicht mehr schließen. Österreichweit erreichen Frauen im Durchschnitt 67 Prozent, nur Wien sticht diesbezüglich mit 83 Prozent kräftig hervor. Zu erklären laut Bock-Schappelwein unter anderem mit der hohen Dichte an qualifizierten Jobs, die in der Bundeshauptstadt angeboten werden.

Mehr Geld für weibliche Arbeitslose

Was gesellschaftspolitisch seit Jahren nicht gelingt, will man arbeitsmarktpolitisch zumindest forcieren. "Wir haben den Auftrag, 50 Prozent des arbeitsmarktpolitischen Budgets für den weiblichen Anteil aufzuwenden", sagt Kopf. Ganz gelungen ist das mit einem Anteil von 48,86 Prozent im Jahr 2014 nicht. Allerdings lag die Zahl der weiblichen Arbeitslosen bei vergleichsweise geringen 42,5 Prozent. Für Kopf keine Überraschung: "Die Krise ist eine der exportorientierten Industrie. Hier sind Männer vorwiegend 50 + besonders betroffen". Der Nutzen überproportionaler Förderung weiblicher Arbeitsloser sei dennoch ein mehrfacher, sagt Kopf: "Im Sinne von Einkommen und Beschäftigung wirken unsere Maßnahmen bei Frauen besser". Warum das so ist, darüber kann er nur spekulieren: "Vielleicht werden die Maßnahmen von Frauen ernster genommen, vielleicht werden die Chancen besser erkannt."

Ein anderes Detail-Ergebnis sticht ebenfalls besonders hervor: Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen Frauen österreichweit 40 Prozent der Männerwerte. Das ist für Kopf auch der Bereich, wo am meisten zu tun bleibt: Bei der Inanspruchnahme der Karenz. In zwei Jahren will man sich die Sache anhand des Index noch einmal anschauen und beim Thema "nachschärfen". Dass der Ball nicht nur bei der Arbeitsmarktpolitik liegt, ist auch Kopf klar: "Wenn jemand das Kinderbetreuungsangebot massiv verbessert, hat das Folgen."

Abseits davon werden aber auch die frauenpolitischen Maßnahmen forciert und verbessert, sagt AMS-Frauenbeauftragte Hilde Stockhammer. So will man etwa ab Juni interessierten Unternehmen Beratung in Gleichstellungsfragen bieten. Darüber hinaus wurden in allen Bundesländern Frauenberufszentren eingerichtet. Laufbahnplanung für Frauen steht dort am Programm.

Zerschnittene Ausbildung

Eine andere Maßnahme zielt auf die Vereinbarkeit von Weiterbildung und Karrierverlauf: So hat man die Lehrausbildung für manche Berufe etwa im Einzelhandel oder im Tourismus kurzerhand "zerschnitten". Frauen, die in diesen Segmenten eine vom AMS geförderte Lehre machen, können einzelne Module belegen. Wird die Ausbildung unterbrochen, weil ein Job gefunden wurde, gibt es für den absolvierten Teil ein Zeugnis. Teil zwei und drei können bei späterer Arbeitslosigkeit nahtlos angeschlossen werden. "Wir haben bereits ein Handvoll Absolventinnen", sagt Stockhammer. Die Maßnahme steht übrigens auch Männern offen. (rebu, 6.3.2015)