Mit Trenchcoat und Pfeife sind sie zwar nicht unterwegs, beim Verdacht auf Krankenstandsmissbrauch werden Detektive von Arbeitnehmern aber durchaus eingesetzt. Die Wirtschaftskammer macht auf Schwierigkeiten für die Unternehmen bei einem Einsatz aufmerksam, die Arbeiterkammer auf die Verletzung der Privatsphäre.

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Dass Arbeitnehmer von Detektiven überwacht werden, ist keine Seltenheit. Nur wenige Fälle kommen aber an die Öffentlichkeit – so wie im Dezember 2013 etwa, als zwei Palmers-Mitarbeiterinnen im Krankenstand ausspioniert und gekündigt wurden. Die Arbeiterkammer klagte und war erfolgreich: 26.000 beziehungsweise 15.000 Euro Entschädigung waren das Ergebnis.

Auch der jüngst vor dem Obersten Gerichtshof diskutierte Fall, in dem ein an Burnout leidender Arbeitnehmer im Krankenstand ein Rockkonzert besucht hatte und deswegen vom Arbeitgeber entlassen worden war, sorgte für Diskussionen. Der Arbeitnehmer war laut OGH im Recht, da das Konzert seine Genesung nicht behinderte und vom Arzt erlaubt war.

GPS-Sender am Auto

Der aktuellste Fall betrifft einen Mitarbeiter des Sportartikelhändlers Sports Direct. Auch er wurde von einem Detektiv überwacht, an seinem Fahrzeug wurde außerdem ein GPS-Sender angebracht, wie das Magazin "Profil" berichtete. Kurz nach seinem Wiedereintritt in die Firma bekam der Arbeitnehmer seine fristlose Entlassung. Mit seiner Geschichte ging der Mann auch an die Öffentlichkeit, weil er diese Praktiken unrechtmäßig findet. Seit der Überwachung fühle er sich oft verfolgt.

Dem gegenüber steht die Sicht der Arbeitgeber. Die Reaktion von Sports Direct fiel jedenfalls in die Richtung aus, dass man sich genötigt gesehen habe, den Krankenstand des Dienstnehmers zu überprüfen. Und tatsächlich wird der Krankenstand ein immer größeres Problem zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern: Seit 2007 kam es zu einem Zuwachs von 221 Prozent bei den Krankenstandstagen - oft aufgrund psychischer Belastung im Job. Seit Jänner 2012 musste die Arbeiterkammer Wien allein wegen Problemen rund um den Krankenstand in 780 Fällen vor Gericht ziehen.

Deutschland: Gesetzliche Regelung

Wie weit dürfen Unternehmen bei der Überwachung ihrer Mitarbeiter aber gehen? Wo endet legitime Kontrolle, und wann beginnt die Verletzung der Menschenwürde?

In Deutschland gab es in der Vergangenheit ebenfalls einige Fälle von Überwachung, für Aufsehen sorgte beispielsweise die Überwachung bei Lidl und der Deutschen Telekom. Lange Zeit gab es keine gesetzliche Regelung, unlängst entschied aber das deutsche Bundesarbeitsgericht, dass ein Bauchgefühl oder die Mutmaßung des Arbeitgebers auf Verdacht des Krankenstandmissbrauchs noch keine Grundlage für eine Überwachung darstelle. Die Lage in Österreich ist noch nicht eindeutig, jedenfalls ist der Einsatz von Detektiven zur Überwachung beim Verdacht auf Krankenstandsmissbrauch nicht gesetzlich geregelt.

Die wichtigsten Fragen aus Sicht von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer im Überblick – naturgemäß sind ihre Einschätzungen unterschiedlich:

Frage: Ist die Überwachung von Arbeitnehmern im Krankenstand durch Detektive in Österreich erlaubt?

Antwort: Karmen Ried von der Abteilung Rechtsschutz der Arbeiterkammer Wien ist skeptisch: "Die verdeckte Überwachung von Arbeitnehmern durch Detektive bedeutet grundsätzlich einen Eingriff in die geschützte Privatsphäre. Dieser Eingriff dürfte nur dann erfolgen, wenn ein ausreichend konkreter Verdacht besteht, dass sich der Arbeitnehmer krankenstandswidrig verhält, der Genesungsprozess also gefährdet wird."

Etwas anders sieht das Thomas Rauch von der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich: Eine gesetzliche Regelung gebe es nicht, nur die Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Beobachtung sei immer Teil des Arbeitsverhältnisses, sagt er. Es könnte ja auch der Chef selbst überprüfen, ob man im Krankenstand Tennis spielt. "Bräuchte man Beweise für den Einsatz eines Detektivs, würde das den Einsatz dieser ja ad absurdum führen. Dem Krankenstandsmissbrauch wird ohne Kontrolle Tür und Tor geöffnet." Rauch hält fest, dass nicht bei jedem Krankenstand generell Detektivbeobachtung empfohlen wird. Vielmehr wird bei einer arbeitsrechtlichen Beratung eines Unternehmers beim Verdacht des Krankenstandmissbrauchs stets auch die Beobachtung eines Detektivs als eine Möglichkeit erörtert.

Frage: Im Sports-Direct-Fall wurde auch ein GPS-Sender am Auto angebracht – vom Anwalt des Arbeitnehmer wurde dieses Vorgehen als eindeutig rechtswidrig beschrieben. Wieso kann eine Beobachtung durch Detektive erlaubt sein, ein GPS-Sender aber nicht?

Antwort: Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer weisen beide darauf hin, dass im Fall von technischer Kontrolle die Zustimmung des Betriebsrats in Form einer Betriebsvereinbarung nötig ist – wenn die Menschenwürde berührt wird. Wann diese verletzt wird und solche Kontrollmaßnahmen zu weit gehen, ist aber Interpretationssache.

Martina Chlestil von der Abteilung Sozialpolitik der Wiener Arbeiterkammer sieht im Sports-Direct-Fall jedenfalls die Menschenwürde berührt. "Beim Einsatz von GPS-Sendern kann automationsunterstützt ein lückenloses personenbezogenes Bewegungsprofil erstellt werden, und das relativ einfach und kostengünstig." Die Kontrolldichte sei damit viel höher als durch einen Detektiv.

Thomas Rauch sieht diese Frage nicht eindeutig ausjudiziert. "Wenn der Anwalt in diesem Fall von 'eindeutig rechtswidrig' spricht, wird er einen Weg gefunden haben", sagt Rauch. Möglichkeiten gebe es viele, das zu argumentieren. Wann aber Menschenwürde berührt werde, sei nicht leicht zu ermitteln. Rauch merkt außerdem an, dass es in diesem Fall auch einen Unterschied mache, ob es ein Dienstwagen war beziehungsweise zur Dienstzeit geschah.

Beim Einsatz von technischen Systemen, die personenbezogene Daten aufzeichnen, ist außerdem neben der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit auch noch die datenschutzrechtliche Zulässigkeit zu überprüfen. "Eine heimliche Überwachung mit derartigen Mitteln wird auch datenschutzrechtlich in aller Regel unzulässig sein", sagt Martina Chlestil von der Arbeiterkammer.

Frage: Kommt es oft zur Überwachung durch Detektive?

Antwort: Thomas Rauch von der Wirtschaftskammer hat hierfür keine genauen Zahlen. Da der Einsatz von Detektiven aber sehr kostspielig sei, rate die Wirtschaftskammer den Unternehmen, zuerst andere Möglichkeiten zu bedenken. Denn oft könne der Arbeitgeber nicht wissen, was der Arzt im Krankenstand alles erlaubt. Werden Detektive also umsonst eingesetzt, verlieren die Unternehmen Geld. Genaue Angaben, wie hoch dieses Summen sind, kann Rauch nicht machen - "aber es sind einige tausend Euro". Detektive zur Überwachung könnten außerdem bald weniger werden, für Rauch macht dieses Vorgehen nämlich hauptsächlich Sinn, wenn es um die Abfertigung alt geht, also viel Geld im Spiel ist. "Sonst dreht es sich ja nur um die Kündigungsfrist, da ist für die Unternehmen nicht so viel Risiko dabei."

Dass die Arbeiterkammer wegen Beobachtung durch Detektive im Krankenstand vor Gericht ziehen muss, komme immer wieder vor, sagt Karmen Riedl: "Gerade vor kurzem wurde wieder ein Fall gewonnen. Eine Verkäuferin wurde gekündigt, als sie eine Knieoperation mit einmonatigem Krankenstand meldete. Und das nach 20 Dienstjahren. Trotz Schmerzen ging die Frau nach der OP wieder arbeiten, die Kündigungsfrist war noch nicht abgelaufen. Als sie erneut krankgeschrieben wurde, schickte ihr das Handelsunternehmen, bei dem die Frau angestellt war, einen Detektiv nach, der sie beim Einkaufen und in einem Café fotografierte. Worauf die Arbeitnehmerin nach der Kündigung auch noch fristlos entlassen wurde. Das Gericht stellte fest, dass die fristlose Entlassung zu Unrecht erfolgte. Die Arbeitnehmerin hatte keine Bettruhe verordnet bekommen, und ihr Verhalten widersprach nicht den ärztlichen Anordnungen. Die AK holte für die Betroffene vor Gericht rund 15.000 Euro an Abfertigung und Kündigungsentschädigung heraus."

Frage: Gibt es für Detektive Einschränkungen, bis wohin sie Arbeitnehmern folgen dürfen?

Antwort: Ein klares Ja: Die Überwachung im Privatbereich, also das Betreten des Grundstücks, des Hauses oder der Wohnung, ist unzulässig. Detektive dürfen den Zielpersonen aber in Cafés und andere öffentliche Orte folgen.

Frage: Was kann ein Arbeitnehmer tun, wenn er oder sie glaubt, beobachtet zu werden?

Antwort: Martina Chlestil rät hier dazu, sich an die Polizei zu wenden. Diese kann eine Identitätsfeststellung vornehmen.

Update: Detektiv-Verband meldet sich zu Wort

Nach dem Erscheinen dieses Textes hat sich der Präsident des Österreichischen Detektiv-Verbands (ÖDV), Lukas Helmberger, in einer Aussendung geäußert. Es falle auf, dass immer wieder von den Rechten des Dienstnehmers gesprochen werde, dabei aber übersehen werde, dass ein Fehlverhalten dem Dienstgeber einen Schaden zufüge und dieser natürlich das Recht habe, diesen Schaden abzuwehren. "In einer Rechtsordnung wie der unseren heißt das, dass ein Zivilgericht angerufen werden muss, dem dann aber Beweismittel vorzulegen sind. Daher ist die Beauftragung von Berufsdetektiven aus dem Prozess der Rechtsfindung nicht wegzudenken", so Helmberger.

Die Beobachtung sei eindeutig erlaubt: "Die Gewerbeordnung - ein Bundesgesetz - normiert eindeutig, dass Berufsdetektiven 'die Beobachtung und Kontrolle der Treue von Arbeitnehmern' erlaubt ist. Die Aufgabe des Berufsdetektiven in so einem Fall ist es, nach Prüfung des berechtigten Interesses des Auftraggebers, welches vereinfacht gesagt dann anzunehmen ist, wenn dem Auftraggeber ein Schaden entsteht, eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zu dokumentieren", heißt es in der Aussendung. (Lara Hagen, derStandard.at, 4.3.2015)