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Syriens Machthaber Bashar al-Assad.

Foto: EPA/SANA

Sie reisten ohne Mandat und ohne Medientross, doch in Paris lösten sie ein gewaltiges Echo aus: Vier französische Parlamentarier begaben sich vergangene Woche in aller Diskretion nach Damaskus und trafen dort eine Stunde lang mit dem syrischen Machthaber Bashar al-Assad zusammen. Über den genauen Inhalt des Gesprächs wurde nichts bekannt. Wichtiger war ohnehin, dass es stattfand. Die französischen Teilnehmer erklärten nachher vorsichtig, sie hätten bloß "zugehört", um herauszufinden, "was in Syrien vorgeht".

Die zwei Senatoren Jean-Pierre Vial und François Zocchetto sowie die beiden Abgeordneten Jacques Myard und Gérard Bapt gehören der konservativen UMP, der zentristischen UDI und der regierenden Pati Socialiste an; einige sind Mitglieder der Freundschaftsvereins Frankreich-Syrien. Dieser verfügt in Paris über einigen Einfluss, da die Beziehungen der Länder historisch eng sind; von 1920 bis 1946 war Syrien inklusive Libanon unter französischer Besatzung.

Der Besuch sorgte in Paris für erhebliche Aufregung, denn die Parlamentarier setzten sich über den Staatspräsidenten hinweg, der gemäß Verfassung den Kurs der Außenpolitik festlegt.

Und François Hollande will von einer Annäherung an das syrische Regime nichts wissen. 2013 hatte er im Zuge der Giftgasvorwürfe gegen Assad bereits Rafale-Kampfjets in Alarmbereitschaft versetzt; den geplanten Militärschlag blies er erst in letzter Sekunde ab, als US-Präsident Barack Obama davon Abstand nahm.

Heute beteiligt sich Frankreich nur an den internationalen Lufteinsätzen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Irak, nicht aber in Syrien. Hollande will nicht, dass Assad von den Angriffen auf die IS profitieren könnte. Entsprechend deutlich distanzierte sich der Präsident dann auch von der "Vierer-Initiative". Man treffe sich nicht "mit einem Diktator, der der Ursprung einer der schlimmsten Bürgerkriege der letzten Jahre" sei, meinte er, um klarzumachen: "Nur weil eine Terrorgruppe in Syrien die schlimmsten Massaker begeht, tötet, vergewaltigt, nimmt man noch nicht eine Änderung des diplomatischen Kurses vor." Außenminister Laurent Fabius bezeichnete die Damaskus-Visite als "konsternierend und absurd".

Die schroffe Zurechtweisung des Quartetts zeugt allerdings auch von einer gewissen Unsicherheit der französischen Staatsführung. Fabius selbst räumte in einem Nebensatz ein, dass er über den französischen Parlamentarierbesuch in Damaskus auf dem Laufenden war. Damit muss dann auch das Präsidialamt im Élysée-Palast davon gewusst haben.

Vergleich mit Stalin

Der frühere sozialistische Verteidigungsminister Paul Quilès, eine gewichtige diplomatische Stimme des Regierungslagers, unterstützte die Stippvisite mit dem Argument, die westlichen Alliierten hätten sich im Zweiten Weltkrieg auch mit Stalin zusammengespannt, um Hitler zu besiegen. "Und wir selbst: Haben wir nicht Saddam gegen Khomeini unterstützt?", fragte Quilès am Montag in einem Beitrag für Le Figaro. Er hätte auch anfügen können, dass Ex-Präsident Jacques Chirac 2000 als einziger westlicher Staatschef an den Beisetzungsfeiern für Assads Vater Hafiz teilgenommen hatte.

Myard, der geistige Anführer der Vierergruppe, erklärte, Hollande und Angela Merkel träfen ja auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin, obwohl dieser "kein demokratisches Modell" sei.

Im Quai d'Orsay, dem französischen Außenministerium, wird zwar nur hinter den Kulissen, aber dort umso eifriger debattiert, ob man, wie sich Pariser Diplomaten ausdrücken, auch "mit Bashar sprechen" sollte. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 4.3.2015)