An seinem Abschiedsabend vom Theater schlüpft Hubert "Hubsi" Kramar auch noch einmal in seine große Rolle als Hitler am Opernball - samt Faschingsutensilien.

Foto: Ernst Binder

Graz - "40 Jahre sind genug", findet Hubert "Hubsi" Kramar im Stück Yorick stirbt, in dem er sich selbst spielt. Der legendäre Theaterdirektor will nämlich in Bühnenrente gehen und hat sein 3raum-Anatomietheater zugesperrt. Bevor er sich aber ganz verabschiedet, sagt er noch in einem Stück Adieu. Joachim J. Vötter hat ihm hierzu eine Hommage gedichtet, eine liebevolle, dort und da komische, dann wieder fast philosophische und tieftraurige Abrechnung mit dem Theater und den Illusionen, an denen es sich aufrichtet und scheitert. Inszeniert wurde es von Ernst M. Binder in dessen Stammhaus Drama Graz. Binder, selbst ein Dichter im Herzen, auch wenn er Regie führt, ging sehr respektvoll zu Werke.

Kramar begrüßt seine Zuseher mit dem Besen in der Hand vor dem roten Vorhang im Kostüm von Samuel Becketts Wladimir. Kehraus nach einem Leben fürs Theater. "Wir brauchen die lebenden Dichter, sonst hätten wir ja keine toten", sagt er. In einer vorüberschlendernden Erzählung streift er Stationen seines Berufslebens, vom Reinhardt-Seminar über Grotowski in Polen, Savary in Paris nach New York zu La Mama. Dann zu Zadek nach Bochum.

Minuten später wiederholen zwei Männer sein automatisiertes Schwelgen auf der Bühne mit verschworener Ironie. Es sind ein Schauspieler (Daniel Doujenis) und ein Dichter (Markus Kofler), die den Auftrag haben, die Kulissen dieses Lebens zu beseitigen. Für Kramar sei das ideale Bühnenbild stets ein Tisch mit zwei Stühlen, heißt es. Doch hinter dem hat sich eine Weltkarte aufgepflanzt (Ausstattung: Vibeke Andersen). Die Demontage der Theaterwelt schreitet erst schleppend, dann unter Getöse voran. Die beiden Männer unterhalten sich über Bach und das Summen von Glenn Gould, der, so glauben sie, summte wie Bach, bevor der seine Noten niederschrieb. Die Conclusio: Wer zurück zum Ursprung will, muss auf einem niedrigen Hocker sitzen, weswegen der Schauspieler ein Sesselbein eines Stuhles absägt, den der Theaterdirektor gerne in den Obstgarten seines Lebensabends gestellt hätte.

Doch vorher rennt der Chef noch einmal im Hitlerkostüm über die Bühne, in dem er 2000 am Opernball gegen die schwarz-blaue Regierung protestiert hatte. Als später seine Mitarbeiter einen Schädel beim Graben finden, der wohl Shakespeares Yorick gehören muss, vermischen sich Hamlet und Hitler: "Sein oder Nichtsein ...", beginnt Kramar im Hitler-Idiom, wird aber gestoppt.

Das Ende gehört Hamlet, nicht Hitler: "Was Hamlet einst an dir gesucht: das entwichne Leben des geliebten Narren, auf dessen Rücken er als Kind wohl tausend Male ritt", sagt Kramar. Dann geht das Licht aus. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 4.3.2015)