Wenn die Raumsonde Dawn am Freitag Ceres erreicht, hat sie einen fünf Milliarden Kilometer langen Flug hinter sich gebracht - im September 2007 ist sie gestartet.

Foto: Nasa

Wien - Als Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins im Juli 1969 mit einer Saturn-V-Rakete in Richtung Mond starteten, brauchten sie drei Tage, bis sie die Umlaufbahn des Erdtrabanten erreichten. 380.000 Kilometer beträgt die Distanz zwischen Erde und Mond - ein Katzensprung im Vergleich zu jener Distanz, die die Raumsonde Dawn im Laufe ihrer Reise überwunden hat.

Wenn sie nächsten Freitag in die Umlaufbahn um den Himmelskörper Ceres einschwenkt, hat die 700 Kilogramm schwere Nasa-Sonde einen fast fünf Milliarden Kilometer langen Flug quer durch unser Sonnensystem absolviert. Ihr Ziel, Ceres, ist ein Bewohner des sogenannten Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter. Im Gegensatz zu den meisten Objekten in dieser Region ist Ceres allerdings kein Asteroid.

Kategorie Zwergplanet

Der 950 Kilometer große Ball aus Eis und Gestein zählt zur Klasse der Zwergplaneten - so wie Pluto, der degradierte Ex-Planet. Ceres gehört außerdem zu einem äußerst exklusiven Club: nämlich zur Gruppe jener Körper im Sonnensystem, die früher möglicherweise "habitabel" waren, sprich lebensfreundliche Bedingungen geboten haben. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist Wasser. Und davon hat Ceres wohl genug.

Dichtemessungen zeigen: Der Zwergplanet besteht ungefähr zu einem Drittel aus Wasser. Ob es nur als Eis vorliegt oder eventuell in flüssiger Form als unterirdischer Ozean - diese Frage zu klären ist eine der Hauptaufgaben der Dawn-Mission. Wie auch immer die Antwort ausfallen wird, "Astrobiologen sollten von der Mission ziemlich begeistert sein", sagt Carol Raymond vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena. "Und ich glaube, sie sind es bereits jetzt." Als stellvertretende Chefwissenschafterin der Mission ist es Raymonds Job, affirmative Töne anzuschlagen. Gleichwohl lässt sich auch mit einer gewissen Nüchternheit behaupten: Mit spektakulären Ergebnissen wird wohl zu rechnen sein.

Einen Vorgeschmack auf das, was kommen wird, hat Dawn bereits vor ein paar Wochen geliefert. Anfang Februar funkte die Sonde die ersten Bilder von Ceres zur Erde. Bereits aus 145.000 Kilometern Entfernung war die grobe Morphologie der Eiskugel erkennbar, auf den Aufnahmen zeichneten sich große Krater und helle Flecken ab. Wobei "hell" in diesem Fall ein relativer Begriff ist. Da der eisige Zwergplanet von einer hunderte Meter dicken Staubschicht bedeckt ist, sind die farblichen Variationen gering. Ceres ist schwarz wie Kohle, die lichteren Regionen sind immer noch so dunkel wie Asphalt.

Im April wird Dawn in einem Abstand von 13.500 Kilometern um Ceres kreisen, Ende des Jahres soll die Distanz nur mehr 375 Kilometer betragen. Dann werden Objekte in der Größe von 35 Metern sichtbar, sagt Marc Rayman, Direktor der Dawn-Mission beim JPL. Er hofft auf "exquisite Detailtreue" der Aufnahmen.

Natürlich wird es die Dawn-Mission nicht nur bei Oberflächlichkeiten belassen. Die Forscher wollen auch das Innere des Zwergplaneten erkunden. Modellen zufolge dürfte Ceres wie eine Mozartkugel aufgebaut sein. Außen eine dünne schmutzige Kruste, darunter ein dicker Eismantel, gefolgt von einer Schicht wasserreicher Silikate sowie im Inneren ein Kern aus Gestein.

Falls die Mission auch bei der Suche nach unterirdischen Ozeanen fündig wird, dann wohl unterhalb der Eisschicht. Messungen mit dem Infrarot-Teleskop Herschel lassen das durchaus plausibel erscheinen. Sie weisen auf die Existenz von Wasser hin, das sich den Weg an die Oberfläche gebahnt hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es sich dabei nicht um spektakuläre Geysire handeln, wie man sie auf dem Saturnmond Enceladus gefunden hat, sondern eher um unterirdische Schmelztaschen, die ihren flüssigen Inhalt gemächlich nach außen drücken.

Von Jupiter eingefangen

Ceres ist übrigens nicht der erste Himmelskörper, dem Dawn im Zuge seiner Reise nahegekommen ist. 2011 erreichte die Sonde Vesta, den hellsten Asteroiden unseres Sonnensystems, umrundete diesen 14 Monate lang und sandte Unmengen an Fotos und Daten zur Erde. Sie zeigen: Beide, Ceres und Vesta, sind kurz nach der Geburt des Sonnensystems entstanden. Was den Geburtsort betrifft, sind die Forscher noch uneins.

Einer Hypothese zufolge könnte Ceres weit entfernt von der Sonne entstanden und erst später durch die Schwerkraft von Jupiter und Saturn "eingefangen" worden sein. Sollte das zutreffen, werden sich auch Belege in Form von Molekülen - wie zum Beispiel Ammoniak - finden, die für einen Entstehungsort in den kalten Zonen des Sonnensystems typisch sind. In diesem Fall hätte man auch eine Erkenntnis über Pluto gewonnen, von dem man Ähnliches vermutet. Astronomen wollen nicht ausschließen, dass es sich bei den Zwergplaneten Ceres und Pluto um Zwillinge handelt, die nach ihrer Geburt getrennt wurden. (Robert Czepel, DER STANDARD, 4.3.2015)